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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Feuer
     geträumt
. . .
Wir werden uns schlagen wie noch nie. Und nicht etwa irgendwo an der Grenze, sondern hier, mitten im Herzen Schlesiens, auf
     dem Weg nach Striegau, in Richtung Bolkenhain, in der Nähe des Dorfes
. . .
    »Da ist das Dorf Ludwigsdorf«, Egbert de Kassel zeigte nach vorn. »Und die Schenke. Genau wie ich euch gesagt habe. Was befiehlst
     du, Gregor?«
    »Umstellen.«
     
    Ein Hahn krähte. Hunde bellten. Enten quakten in einem Tümpel. Eine Amsel sang, Bienen summten, Fliegen surrten über dem Misthaufen,
     und die Sonne schien so schön, dass einem das Herz aufging.
    Der Bauer, der eben den Abtritt verlassen wollte, trat, als er die Bewaffneten sah, hastig den Rückzug an und versteckte sich
     hinter der Tür mit dem ausgesägten Herzchen. Ein Weib mit einem Kopftuch ließ seinen Rechen fallen und lief rasch davon, den
     um ihre Waden schlackernden Rock raffend. Die Kinder starrten entzückt die Waffen, die Kleidung und die Ausrüstung der Knappen
     und Waffenknechte aus Priebus an, die die Gebäude umstellten. Parzival nahm die ihm zugewiesene Position ein. Er wischte seine
     schwitzenden Hände an seinem Mantel ab, leider vergeblich, weil sie sofort wieder feucht von Schweiß waren.
    »Urban Horn!«, rief der Inquisitor laut und dröhnend. »Komm heraus!«
    Keinerlei Reaktion folgte. Parzival schluckte, zerrte an seinem Gürtel und tastete nach seinem Schwertgriff.
    »Urban Horn! Die Schenke ist umstellt! Du hast keine Chance! Komm freiwillig heraus!«
    »Wer ruft mich?«, erklang es drinnen, hinter dem angelehnten Fensterladen.
    »Gregor Hejncze, der päpstliche Inquisitor! Und Ritter Egbert de Kassel von Seifershau!«
    Die Tür der Schenke knarrte und öffnete sich einen Spalt breit. Die Waffenknechte hoben die Armbrüste, de Kassel beruhigte
     sie mit einer Handbewegung und einem Knurren.
    Auf der Schwelle stand ein Mann in einem kurzen grauen Mantel, den eine glänzende Klammer zusammenhielt, in einem engen, von
     Silberfäden durchzogenen Wams und hohen Stiefeln aus genarbtem Saffianleder. Den Kopf des Mannes bedeckte ein Chaperon aus
     schwarzem Atlas, noch origineller als der Parzivals, mit einer noch längeren und noch kunstvoller gedrehten
liripipe.
    »Ich bin Urban Horn.« Der Mann im grauen Mantel sah sich um. Er hatte durchdringende Augen und einen arroganten Zug um den
     Mund. »Wo sind die Herren Hejncze und de Kassel? Um mich herum sehe ich nur Waffenknechte mit den Gesichtern von Strauchdieben.«
    »Ich bin Egbert de Kassel.« Der Ritter trat vor. »Und die Euch umstellt haben, sind meine Leute, spart Euch also Eure Beleidigungen.«
    »Lasst uns keine Zeit verlieren.« Der Inquisitor trat neben ihn. »Du kennst mich, Urban Horn, du weißt, wer ich bin. Und du
     schätzt deine Lage richtig ein. Du bist umstellt, du entkommst uns nicht. Wir kriegen dich, wenn nicht lebendig, dann eben
     tot. Wir schlagen dir vor, Blutvergießen zu vermeiden. Wir sind keine Barbaren, sondern Ehrenmänner. Ergib dich freiwillig.«
    Der Mann schwieg eine Weile und kräuselte die Lippen.
    »Bei meinen Leuten«, antwortete er schließlich, »handelt es sich um sechs Böhmen und vier Männer von hier, Schlesier. Alles
     Söldner, nur durch Verträge an mich gebunden, durch Geld,durch nichts anderes. Sie wissen nichts und haben unter meinem Kommando auch kein Verbrechen begangen. Ich fordere freies
     Geleit für sie.«
    »Du kannst gar nichts fordern, Horn«, erwiderte Hejncze. »Aber ich bin dennoch einverstanden. Sie werden freigelassen, sofern
     sie nicht wegen früherer Vergehen gesucht werden.«
    »Dein Ritterwort darauf?«
    »Das Wort eines Geistlichen.«
    Horn lachte auf, hielt dann aber plötzlich inne. Er zog einen Dolch aus einer verzierten Scheide, fasste ihn an der Klinge
     an und überreichte ihn dem Inquisitor.
    »Ich überreiche dir meine Waffe.« Er verbeugte sich lässig. »Und verbinde damit einen Vorschlag. Ich hatte gerade die Absicht,
     mir das Mittagessen im Nebenzimmer servieren zu lassen. Statt einer Ente könnten sie drei auftragen, die Vögel auf dem Rost
     sehen lecker aus. Wollen die Herren meine Einladung annehmen? Schließlich sind wir Ehrenmänner und keine Barbaren.«
     
    Im Nebenzimmer hielten sich außer den Tafelnden nur zwei Bewaffnete auf. Herr de Kassel hatte nur Johann Karwat und Parzival
     von Rachenau zu sich gerufen. Karwat, weil dieser sein Leibwächter und Vertrauter war. Parzival, weil er neu war, ein grüner
     Junge, der kaum verstand, worüber gesprochen

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