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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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und sich ihm ins Bett legt. Dieser entflammte Gelehrte wird uns bei unserer
     Flucht helfen, Jutta. Wir müssen nur zu ihm ins Gästehaus gehen. Und ihn von unserem Anliegen überzeugen. Ich habe hier zwei
     Hölzchen. Zieh also. Wer das kürzere zieht, geht zu ihm und überzeugt ihn.«
    »Was denn
. . .
« Jutta machte einen Schritt zurück, als hätte man ihr nicht zwei Stöckchen, sondern zwei Schlangen hingehalten. »Du willst
     doch wohl nicht
. . .
«
    »Wer das kürzere zieht, geht«, wiederholte Veronika entschieden. »Und überzeugt diesen Cusa von unserem Anliegen. Das wird
     nicht schwer sein. Ich denke, da genügt eine ordentliche und solide
fellatio
. Plus Brüsten,
mandragorae dederunt odorem.
Aber wenn sich zeigt, dass das zu wenig ist, müssen wir eben zur
commixtio
der Geschlechter mit allem Drum und Dran übergehen. Nacktheit vor Nacktheit
et cetera.
Los, los,schade um die Zeit. Das kürzere Hölzchen rennt in den
hortus conclusus
, das längere packt inzwischen unsere Ausrüstung zusammen.
    »Nein«, entgegnete Jutta, sich sträubend. »Nein.«
    »Was, nein?«
    »Ich kann nicht
. . .
Ich liebe Reynevan
. . .
«
    »Und genau deswegen willst du weglaufen. Deswegen musst du weglaufen.«
    Sie hat recht, dachte Jutta, sie hat absolut recht. Ein Jahr Gefangenschaft ist bereits vorüber, ein Jahr ist seit dem Überfall
     auf Weißkirchen vergangen. Bei den Dominikanerinnen in Cronschwitz bin ich nun schon sieben Monate, es dauert nicht lange,
     dann kommen diese seltsamen Leute wieder, um mich wegzuholen und in ein noch weiter entferntes Kloster zu bringen. Dann trennen
     sie mich von Veronika, und allein zu fliehen, schaffe ich nicht. Sie hat recht. Jetzt oder nie.
    »Gib die Hölzchen her, Veronika.«
    »Na endlich. Was hast du gezogen? Das lange! Also ist das kürzere für mich, meine Namenspatronin hat meine stillen Gebete
     erhört. Pack die Satteltaschen, Jutta. Ich laufe schnell ins Gästehaus. Zum Theologen Nikolaus, der dort als
suavissimus
und voller Anmut wartet.«
     
    Jutta, die gepackt und sich umgezogen hatte, wartete in der Bäckerei. Es war Neumond, die Dezembernacht war dunkel wie der
     Höllenschlund.
    Veronika kam erst gut nach Mitternacht zurück. Rosig, verschwitzt und atemlos. Sie hatte einen pelzgefütterten Mantel übergeworfen
     und schleppte ein Bündel. Sie hat es geschafft, dachte Jutta, sie hat es wirklich geschafft.
    Sie verloren keine Zeit. Rasch rannten sie über den Hof zum Gästehaus und traten in den Schatten des Flurs. Nikolaus von Cusa
     wartete auf sie; den Finger auf den Mund gelegt, befahl er ihnen zu schweigen. Er führte sie in den Stall, wo beim spärlichen
     Licht einer Funzel die Knechte zwei Pferde sattelten.Jutta zog den pelzgefütterten Mantel über, der ihr gereicht wurde, zog die Kapuze über und sprang in den Sattel.
    Nikolaus von Cusa schickte die Knechte fort. Dann umarmte er Veronika und küsste sie. Der Kuss dauerte. Und dauerte.
    Ziemlich lange. Die ungeduldige Jutta räusperte sich vernehmlich.
    »Zeit für euch,
sorores !«
Nikolaus von Cusa beherrschte sich. »Es wird Zeit. Gehen wir.«
    »Wer ist denn da?«, knurrte Brunwart, der weltliche
servus
des Klosters und Pförtner des Gästehauses. »Wen treibt denn da bei Nacht der Teufel umher? Die Pest auf eure
. . .
«
    Er hatte den Kanonikus erkannt, verstummte und verneigte sich tief. Cusa drückte ihm wortlos ein klingendes Säcklein in die
     Hand. Brunwart machte eine tiefe Verbeugung.
    »Mach das Tor auf. Lass meine Diener durch, ich schicke sie in wichtigen Angelegenheiten los. Und kein Wort!«
    »Bei meinem Leben
. . .
Euer Hochwürden
. . .
«
    Die Nacht war finster wie der Höllenschlund. Es war kalt.
    »Dieser Weg führt nach Weida. Der andere nach Zwickau und weiter nach Dresden. Lebt wohl, liebe Schwestern. Möge Gott euch
     geleiten. Und euch glücklich zu euren Angehörigen führen.«
    »Leb wohl
. . .
lieber Nikolaus.«
    Die Hufe trommelten über die Steine.

Siebzehntes Kapitel
    in dem wir das Jahr des Herrn 1430 schreiben und in den vom Kriegsbrand befallenen Gebieten Sachsens, Thüringens und Oberfrankens
     die große Suche andauert.
    Reynevan, Scharley, Samson und Rixa brauchten zwei Stunden, um vom Schwemmland bei Kössern auf den Weg zu gelangen, der nach
     Altenburg führte. Es begann zu schneien, trotzdem ritten sie schnell, allen voran Reynevan, den Juttas Nähe in Fieber und
     Aufregung versetzt hatte. Die Armee der Hussiten, die sich in fünf Abteilungen aufgeteilt hatte,

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