Lux perpetua
Dorfbewohner, etwa ein Dutzend
an der Zahl, führten Pferde mit sich.
Gekleidet oder vielmehr verkleidet waren sie auf recht seltsame Weise. Auf eine für Landleute recht unübliche Weise.
»Ich kenne diese Pferde«, sagte Reynevan. »Und die schwarzen Mäntel. Und die schwarzen Visiere
. . .
«
Noch bevor er den Satz beendet hatte, hatten Scharley und Rixa ihren Pferden schon die Sporen gegeben.
Obwohl sie riesige Schlappen trugen, bewiesen diese Dorfbewohner die Behändigkeit von Rehen und die Flinkheit von Gämsen.
Sie warfen die sie am Laufen hindernden Beutestücke weg, setzten mit der Grazie von Antilopen durchs Gebüsch und über vom
Sturm entwurzelte, schneebedeckte Bäume. Sie flohen so schnell, dass ihre Verfolger keine Aussichten hatten, sie einzuholen.
Scharley und Rixa erwischten nur einen, der wohl schon ein älteres Semester war und überdies Plattfüße hatte, wie Reynevan
aus seinem Watschelgang schloss.
Das am Kragen herbeigeschleppte Bäuerlein weinte, schrie, flehte um Erbarmen und rief Gott an, alles reichlich durcheinander
und ziemlich unverständlich. Zum Glück war Scharley mit dem Geheimnis, sich mit den Bewohnern dörflicher Ansiedlungen zu verständigen,
vertraut. Er trat dem Landmann gewaltig in den Hintern und hieb dem sich plötzlich Aufrichtenden die Faust in den Nacken.
Das wirkte sofort.
»Unschuldig, wir sind unschuldig!« Die Sprache des Plattfußes nahm verständliche Formen an. »Wir haben sie nicht gehauen,
ich schwöre bei Gott, nicht wir
. . .
Die haben sich gegenseitig abgeschlachtet, gegenseitig! Wir haben nur den Erschlagenen die Kleider abgenommen
. . .
Haben die Pferde eingefangen und sie mitgenommen
. . .
Um Gottes willen! Lieber, guter Herr
. . .
Letzten Sonntag haben sie uns alles genommen, alles haben die Ritter uns genommen
. . .
Nicht ein einziges Huhn haben sie übrig gelassen
. . .
Heilige Genoveva
. . .
Als wir da auf die Leichen gestoßen sind
. . .
«
»Leichen? Wo? Führe uns hin.«
Hinter dem Wald erstreckte sich eine Brache, mit Sträuchern bewachsen und vom Schnee bedeckt. Der Schnee war von Hufen aufgewühlt
und rot von Blut, schwarz zeichneten sich die Leichen darauf ab. Schätzungsweise an die zwanzig Körper.
Die Bauern hatten nicht einmal die Hälfte der Toten entkleidet, daher war es nicht weiter schwierig, die Leichen zu identifizieren.
Wenigstens vier Tote trugen schwarze Mäntel, schwarze Brustpanzer und schwarze Hundsgugeln, von allen als Kleidung und Erkennungszeichen
der schwarzen Reiter Birkhart von Grellenorts wiedererkannt. Andere sahen wie Söldner aus.
Rixa war die Einzige, die in den blutigen Schnee hineinritt, den Kampfplatz umritt und aufmerksam alle Körper, Spuren und
jede Einzelheit musterte.
»Sie haben sich gestern geschlagen«, stellte sie fest, als sie zu ihnen zurückkehrte. »Es waren fünfzehn Söldner, sie sind
alle tot. Grellenort hatte weniger Reiter, drei von ihnen wurden erschlagen. Zwei davon hat man zusätzlich erstochen, mit
Schwertern durchbohrt. Grellenort hatte es, wie es scheint, sehr eilig.«
»Wohin«, fragte Scharley, »wohin ist er geritten?«
»Nach Süden. Wir haben Glück, sonst wären wir auf ihn gestoßen.«
»Was tut er hier?« Reynevan beruhigte sein tänzelndes Pferd. »Was sucht er?«
»Uns«, erwiderte Samson trocken. »Machen wir uns keine Illusionen.«
»Christus
. . .
« Reynevan erblasste. »Er ist von Osten gekommen
. . .
Jutta
. . .
«
»Nein«, unterbrach ihn Rixa, »bestimmt nicht. Kommt, weg von hier.«
Sie ritten. Reynevan und Samson auf neuen Pferden, beides Rappen, sie hatten jetzt auch zwei Handpferde. Rixa wandte sich
noch einmal um.
»Einen von denen, die sie mit dem Schwert durchbohrt haben, kenne ich.« Sie verzog das Gesicht. »Er gehörte in Breslau zu
den Männern von Hayn von Czirne. Ein Häscher und ein Mörder, und noch dazu einer, der auf kleine Mädchen stand. Das bestätigt
die Vermutung, dass Grellenort zu allem entschlossen ist und um sich versammelt und anwirbt, wen er nur kann, Schurken, Debile
und den letzten Abschaum.«
»Und es bestätigt noch etwas«, fügte sie hinzu, »nämlich das Gerücht, dass die Inquisition seine legendäre Burg, diesen Sensenberg,
zerstört hat. Grellenort hat kein Hauptquartier mehr und damit auch keine Narkotika für seine Schützlinge, die Assassinen.«
»Einst waren sie der Schrecken der Nacht«, sie spuckte aus, »die Todesrotte, die in den Menschen die abergläubische
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