Lux perpetua
zusammengerissen und war schon wieder etwas zu sich gekommen, aber er beteiligte sich nicht am Morden und Brennen.
Wie Scharley, Samson und Rixa hielt auch er sich an Mikuláš Sokol z Lamberka, dem man die Reserveabteilung unterstellt hatte.
Tybald Raabe war fortgezogen. Er war gen Osten aufgebrochen, noch bevor sie nach Pegnitz gezogen waren.
Die Nacht, die kurz darauf hereinbrach, war durch die Brände so hell wie der Tag. Und laut. Unaufhörlich klopften die Hämmer
und Äxte der Stellmacher, die die Bliden aufstellten und Barrikaden errichteten. Die Büchsenschützen grölten und sangen, als
sie Bombarden und Mörser auf den hölzernen Stützen befestigten. Vor den Mauern brüllten die taboritischen Agitatoren herum,
die den Verteidigern von Eger einen schrecklichen Tod in Aussicht stellten. Die Verteidiger revanchierten sich von oben damit,
ihnen einen noch schrecklicheren Tod in Aussicht zu stellen, unter gehässigen Flüchen und einer Salve aus Büchsen.
»Reinmar?«
»Hier bin ich, Samson.«
»Hältst du dich noch? Wie fühlst du dich?«
»Sehr schlecht.«
»Ich hätte besser nicht fragen sollen.«
Sie saßen an einem kleinen Feuer, das sie hinter einer mit Stöcken befestigten Plane, die sie vor dem Februarwind schützte,
entfacht hatten. Sie waren nur zu zweit, Scharley und Rixa waren irgendwohin verschwunden. In letzter Zeit verschwanden sie
öfter. Rixa hatte es auch schon geschafft, sich von ihnen zu verabschieden, sie kehrte nach Schlesien zurück.
»Ich plage mich auch mit etwas herum«, brachte der Riese nach einer Weile plötzlich mühsam hervor. »In letzter Zeit verfolgt
mich der Gedanke an den echten Samson, den aus dem Benediktinerkloster. Ich kann nicht anders als zu denken, dass ich ihm
ein Leid zugefügt habe. Ich habe ihn
. . .
dort
. . .
gelassen.«
»Dich trifft keine Schuld«, antwortete Reynevan ernst. »Ich und Scharley sind schuld daran, unser dummer Exorzismus, unser
Spielen mit Dingen, mit denen man nicht spielen sollte. Du hast versucht, unseren Fehler wiedergutzumachen, du hast es viele
Male versucht. Niemand hat das Recht, dir vorzuwerfen, du hättest nichts dagegen unternommen. Es ist dir nicht gelungen, je
nun, das war Gottes Wille. Und jetzt
. . .
Jetzt hat sich die Situation geändert. Du hast Verpflichtungen. Du kannst Marketka nicht verlassen. Es würde dem Mädchen das
Herz brechen, wenn du sie jetzt allein ließest. Ich verstehe ja, dass es schlimm für dich sein muss, ich kenne dich, ich weiß,
wie sehr dir das Schicksal anderer zu Herzen geht. Aber jetzt hast du nur die Wahl zwischen zwei Alternativen: entweder Marketka
oder der Klosteridiot. Für mich steht fest, wen du wählen solltest. Das ist doch ganz selbstverständlich. Und sage mir nicht,
dass dies moralisch unzureichend ist.«
»Dies ist moralisch unzureichend«, seufzte Samson. »Äußerst unzureichend. Denn es ist eigentlich schon zu spät, um zu wählen.
Seit jenem Ereignis sind mehr als vier Jahre vergangen. Dort
. . .
In der Zone der Dunkelheit
. . .
Kein Mensch kann das aushalten, die menschliche Psyche kann dies nicht überstehen. Der wirkliche Samson lebt entweder nicht
mehr oder er hat vollkommen den Verstand verloren. Wir schaffen es nicht mehr, ihn in diese Welt zurückzubringen. Dies ist
es, was mein Gewissen leider sehr belastet.«
»Hör mal
. . .
«
»Sag besser nichts.«
Die Dachsparren der brennenden Hütten der Vorstadt knackten, mit dem Wind zogen Gestank und heiße Luftschwaden herüber.
»Das Schicksal des Klosteridioten«, beendete Samson das Schweigen, »hat sich keineswegs in dem Moment entschieden, als ich
Marketka gesehen habe. Damals bei Kolín, in dieser Falschspielerschenke
. . .
«
»Da hast du getan, was du tun musstest. Ich erinnere mich an deine Worte. Was wir damals in dieser Spielhölle erlebt haben,
schloss Gleichgültigkeit und Untätigkeit aus. Es ist nur das geschehen, was geschehen musste.«
»Das ist richtig. Aber darin versunken bin ich erst später, in Prag. An dem Tag, an dem sie mich zum ersten Mal angelächelt
hat,
quando mi volsi al suo viso ridente . . .
Und wenn Natur nebst Kunst sich auch bemühte,
Den Geist zu fesseln mittels des Gesichts
In Menschenfleisch und ihrer Bilder Blüte,
Dies, allvereinigt , schien so gut wie nichts,
Verglichen mit dem himmlischen Gefallen,
Das mich durchzuckt beim Anblick ihres Lichts.
»Doch diese, die erkannte mein Begehren« – Samson schien halb zu
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