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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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deklamieren, halb zu sprechen – »begann so heiter ihres Lachens
     Spiel, dass Gott in ihrem Antlitz schien zu währen
. . .
aaach
. . .
entschuldige. Ich weiß, es ist banal, es ist eine ganz banale Sache, aber ich kann nichts dafür. Allerdings sollte ich mich
     zurückhalten und es nicht herumerzählen. Doch wer weiß, vielleicht ist es auch gut so? Vielleicht ist es eine gute Einleitung
     zu dem, was ich dir sagen möchte?«
    »Was willst du mir sagen?«
    »Dass ich fortgehe.«
    »Jetzt?«
    »Morgen. Dies ist bereits das letzte Mal. Eger ist die letzte Stadt, in die ich mit euch ziehe. Ich würde lieber heute schon
     gehen
. . .
Aber da ist irgendetwas, das mich zurückhält. Morgen aber mache ich endgültig Schluss mit all dem. Ich gehe fort.Ich gehe zurück nach Rapotín. Zu ihr. Kehre du mit mir dorthin zurück.«
    »Wozu?«, brachte Reynevan nach einiger Zeit mühsam und bitter heraus. »Wozu soll ich dorthin zurückkehren? Wer oder was wartet
     dort auf mich? Jutta lebt nicht mehr. Ich habe sie geliebt, aber sie ist nicht mehr da. Was bleibt mir denn noch? Ich habe
     auch meinen Dante gelesen.
Amor condusse noi ad una morte,
Liebe ließ uns denselben Tod finden. Ich warte auf nichts anderes. Es bleibt sich doch gleich. Deshalb kann ich genauso gut
     auch hier darauf warten, bei dieser Armee hier. In diesem Gemetzel.«
    Samson schwieg lange.
    »Du bist in der Dunkelheit, mein Freund«, sagte er schließlich. »In einer Dunkelheit, die schlimmer ist als die, in der der
     echte Samson entschwand. Es hat uns beide getroffen. Beide haben wir Licht erwartet, und nun ist es dunkel. Helle Strahlen
     haben wir erhofft, und nun schreiten wir durch die Finsternis. Wie Blinde tasten wir uns an den Wänden entlang und tappen,
     ohne zu sehen, umher. Am helllichten Tag stolpern wir wie in der Nacht herum, auf dem Höhepunkt unseres Lebens sind wir wie
     tot. Und wir sehnen uns nach dem Licht. Nach seinem Schein. Du hast das falsche Dante-Zitat gewählt. Ich sage dir das richtige:
Sta come torre ferma . . .
    Ein Turm sei, dessen Zinnen niemals schwanken,
    Wie heftig auch die Stürme an ihn schlagen!
    »Ich habe keine Kraft mehr in mir. Wo keine Hoffnung ist, gibt es keine Kraft mehr.«
    »Es besteht immer Hoffnung. Die Hoffnung ist ein ewiges Licht.
Lux perpetua. La luce etterna.
     
    O luce etterna che sola in te sidi,
    sola t’intendi , e da te intelletta
    e intendente te ami e arridi !
    »Ich bin viel zu müde, um noch irgendeinen Optimismus aufzubringen.«
    »Gute Nacht, Reinmar.«
    »Gute Nacht, Samson.«
     
    Bei Sonnenaufgang begann es. Die Bombarden brüllten, die Feldschlangen knallten, die Mörser donnerten, die Arme der Bliden
     knirschten, ein Hagel von Geschossen prasselte auf die Stadt Eger nieder. Die Felder und Wiesen vor der Stadt überzogen sich
     mit einer dichten Decke aus weißem Rauch. Von Pavesen und Tarrasbüchsen gedeckt, rückten die Taboriten in geschlossener Formation
     gegen die Stadtmauern vor, aber Prokop erteilte noch nicht den Befehl, zu stürmen. Man wusste, dass der Hetman Verluste vermeiden
     wollte, dass es ihm lieber wäre, wenn die Stadt sich ergäbe und Lösegeld zahlte. Der heftige Beschuss sollte die Verteidiger
     zermürben. Daher wurde weder mit Pulver noch mit Kugeln gespart.
    Aber Mikuláš Sokol, angestachelt durch den schwachen Widerstand auf der Südseite, griff einfach an. Vor das Tor wurde ein
     Fässchen mit Pulver gelegt; als es explodierte, warf sich die Sturmabteilung den Rauchschwaden entgegen.
    Drinnen, hinter dem Tor, hielt ein Gegenangriff sie auf. Die Schar der Angreifer stieß auf die Schar der Verteidiger. Die
     einen wie die anderen waren hauptsächlich mit Stichwaffen ausgestattet, Hellebarden, Speere, Spieße, Lanzen und Schwerter,
     was aussah, als wären zwei Igel aufeinandergetroffen. Ein Kampf entbrannte, mit wildem Gebrüll und Geschrei, und mit ebenso
     wildem Gebrüll und Geschrei ließen sie auch wieder voneinander ab, ein paar leblose Körper auf dem Pflaster zurücklassend.
     Sie senkten ihre Waffen und bedrängten einander dann erneut unter Klirren und Krachen. Böhmen kämpften gegen Böhmen, wie sich
     den hin- und herfliegenden Flüchen entnehmen ließ.
    »Psi hlavy!«
    »Zkurvysyni!«
    Reynevan griff sich eine Waffe, die jemand fallen gelassen hatte, und wollte sich ins Getümmel werfen, aber Scharley hielt
     ihn mit festem Griff zurück.
    »Spiel nicht den Helden!«, beschwor er ihn, das Kampfgetöse und das Donnern der Büchsen vor der

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