Lux perpetua
hatte unter dem Blick der Rothaarigen den Kopf gesenkt, getroffen von der plötzlichen Erkenntnis,
dass es ganz sinnlos, ganz unnötig und schrecklich dumm war, hierher gekommen zu sein. Was Elektra anbelangte, so rührte sie
sich nicht mal, sie sah mit leerem Blick ins Feuer.»Hab’ ich’s erraten oder nicht?«, brummte die Rothaarige.
» Per Bacco!
Das wird sich weisen. Wirf noch Reisig ins Feuer, Elisa, und Kräuter in den Kessel. Jagna, benimm dich.«
Die Dunkelgesichtige unterdrückte ein Rülpsen, indem sie sich die Faust in den Mund stopfte.
»Ihr aber«, die
bona femina
maß die Mädchen mit einem Blick aus ihren hellen Augen, »werdet das bekommen, worum ihr bittet. Der Reihe nach. Eine jede.«
Durch die Kraft der Sonne und der Luna.
Durch die Kraft der Zeichen und der Runen.
Heia!
»Der Kessel kocht, der Kessel kocht, Belladonna, Eisenhut und Bilsenkraut darin. Beuge den Kopf darüber, Euphemia von Baruth.
Atme den Dampf ein.«
»Hier hast du einen kleinen Spiegel, ich gebe ihn dir. Wenn der Mond abzunehmen beginnt, am Tag der Venus und der Freyja,
dann fang damit heimlich das Spiegelbild des Geliebten ein. Hülle es in Wolle und birg es in einer Büchse. Streue eine Mischung
aus getrockneten Rosenblättern und Verbenen darüber. Gib
Agnus castus
hinzu, das sie auch Keuschlamm nennen. Gib ein paar Tropfen vom eigenen
sanguine menstruo
hinzu. Bewahre die Büchse so auf, dass kein Sonnenstrahl auf sie fallen kann. Während du sie versteckst, sprich dreimal den
Spruch:
Ego dilecto meo et ad me conversio eius.
Noch bevor der Mond dreimal wechselt, wird dein Auserwählter dein sein.«
Durch Kraft der Zeichen und der Runen . . .
Magna Mater, Magna Mater . . .
»Der Kessel kocht, der Kessel kocht, Belladonna und Mandragora darin. Beuge den Kopf darüber, Elencia de Wirsing. Atme den
Dampf ein.«
»Hier hast du ein stählernes Messer, ich gebe es dir. Wenn der Mond abzunehmen beginnt, am Tag der Venus und der Freyja, geh
vor Sonnenaufgang in den Garten. Pflücke den Apfel, der dir am schönsten erscheint. Schneide ihn mit dem Messer in zwei Hälften,
nachdem du zuvor einen Tropfen
sanguine menstruo
auf der Klinge verrieben hast. Streue auf jede Apfelhälfte eine Prise getrockneten Knöterich und binde sie wieder mit Ästchen
aus Myrtenzweigen zusammen. In die Apfelschale ritze mit dem Messer die Initialen deines Liebsten, sprich dreimal seinen Namen
und dahinter jedes Mal den Spruch:
Ecce iste venit.
Dann wird er kommen. Verbirg den Apfel so, dass kein Sonnenstrahl auf ihn fällt. Und wenn dein Liebster auch am Ende der Welt
wäre, er wird zu dir zurückkommen.«
Heia!
Durch die Kraft der Sonne und der Luna.
Durch die Kraft der Zeichen und der Runen!
»Der Kessel kocht, der Kessel kocht, Belladonna, Hundspetersilie und Parzenkraut darin. Beuge den Kopf darüber, du, die wünscht,
dass man sie Elektra nennt. Du hast einen gefährlichen Namen gewählt, gefährlich und fürchterlich für jemanden, der so jung
ist wie du. Wisse, dass ich solche wie dich für gewöhnlich fortschicke. Solchen wie dir helfe ich nicht, ich unterstütze sie
nicht bei dem, was sie planen und vorhaben. Solchen wie du, Elektra, befehle ich für gewöhnlich, die Zeit und das Schicksal
abzuwarten.«
Die Katze auf den Schädeln fauchte. Die Augen der Hexe brannten wie in düsterem Feuer.
»Nur ausnahmsweise«, sagte sie leise, »werde ich heute dem Schicksal ein wenig nachhelfen. Und obwohl dein Wunsch voll von
Bösem ist, Elektra, werde ich ihn erfüllen. Streck die Hand aus. Hier gebe ich dir
. . .
«
Die rothaarige Hexe flüsterte etwas, Elektra hörte ihr zu,den Kopf zur Seite geneigt. Das Feuer erlosch, der Kessel bullerte noch ein wenig vor sich hin, das Gebräu spritzte zischend
auf die Kohlen.
Die Katze miaute.
»Und nun geht!«, befahl ihnen die
bona femina.
»Ruhm der Allgöttin! Ah, und vergesst eines nicht: Reklamationen werden nicht berücksichtigt!«
»Iss nicht so hastig«, mahnte Scharley, »das schadet dir nur.«
Reynevan hob den Kopf von der Schüssel, die er mit einem Arm umfangen hielt, und schaute ein Weilchen vor sich hin, als hätte
er nicht verstanden. Dann nahm er das Klößevertilgen und seine Jagd nach den Speckgrieben wieder auf. Nachdem er die Klöße
niedergemacht hatte, zog er einen großen Topf Żurek an beiden Henkeln zu sich heran und riss ein Stück Brot von einem Laib
ab. Der Demerit beobachtete ihn
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