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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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aufgehalten. Deine Reaktion war für mich völlig verständlich. Dir ist ein Unglück widerfahren, du hast
     dich abreagiert, indem du dich wie ein Verrückter in den Kampf um den wahren christlichen Glauben, um Ideale, um soziale Gerechtigkeit,
     um das
regnum Dei
, um eine neue, eine bessere Welt gestürzt hast. Und plötzlich hast du erkannt, dass es keine Mission gibt, dass es nur um
     Politik geht. Dass es keinen Missionsauftrag gibt, nur politisches Kalkül. Dass mit dem Wort Gottes und dem christlichen Glauben
     genauso gehandelt wird wie mit jeder anderen Ware: Es geht um den Profit. Das
regnum Dei
kannst du dir in der Kirche auf den Fresken ansehen. Oder beim heiligen Augustinus davon lesen.«
    »Ich habe im Loch gesessen«, entgegnete Reynevan leise und besonnen, »und die Hoffnung, je wieder herauszukommen,verloren. Mich damit herumgeschlagen, dass mein Leben keinen Sinn gehabt hat. Lange habe ich so in der Dunkelheit verharrt,
     blind wie ein Maulwurf.
Dulce lumen,
die Worte des Predigers Salomo, habe ich immer wieder vor mich hin gesagt. Und endlich ist es zu mir durchgedrungen, endlich
     habe ich es verstanden. Ich habe begriffen, dass ich die Wahl habe. Entweder Licht oder Dunkelheit. Im Gefängnis hatte ich
     diese Wahl nicht, jetzt habe ich sie. Ich wähle das Licht,
lux perpetua.
Ich reite nach Böhmen. Denn ich denke, dort ist noch nicht alles verloren. Wenn man nicht kampflos aufgibt. Ich will meinem
     Leben einen Sinn geben. Ich werde dies tun, indem ich mich zum Kampf stelle. Zum Kampf um die Ideale, um das
regnum Dei,
um die Hoffnung. Und wenn das
regnum Dei
untergehen soll, wenn die Hoffnung sterben soll, dann will auch ich untergehen und sterben. Wenn dies dann alles nur noch
     auf den Fresken übrig bleiben soll, dann sollen sie auch mich auf Fresken darstellen.«
    Scharley trat einen Schritt zurück.
    »Vielleicht hast du damit gerechnet«, antwortete er dann, »dass ich dich von diesem Gedanken abbringen will, bitten und betteln
     werde. Nein. Das werde ich nicht tun. Alles hat seine Zeit und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde, wie dein
     geliebter Prediger Salomo sagt. Es gibt eine Zeit des Suchens und eine Zeit des Verlierens, eine Zeit des Haltens und eine
     Zeit des Verwerfens, eine Zeit des Auftrennens und eine Zeit des Aneinanderbindens. Das Schicksal, Reinmar, hat uns beide
     für ein paar bemerkenswerte Jahre aneinandergeknüpft, für ein paar Jahre hat es uns in den Topf der Geschichte geworfen und
     heftig darin umgerührt. Es wird Zeit, die Naht aufzutrennen. Bevor das
regnum Dei
kommt, will ich meine Angelegenheiten hier und jetzt erledigen, in dieser Welt, denn
patria mea totus hic mundus est.
Ich werde mich nicht Schulter an Schulter mit dir zum letzten Kampf stellen, weil ich letzte Kämpfe nicht mag und verlorene
     Kämpfe nicht ausstehen kann. Ich hasse es, zu sterben und unterzugehen.Und ich wünsche mir überhaupt nicht, auf irgendwelchen Fresken verewigt zu werden. Ich will überhaupt nicht auf der Liste
     mit den Namen derjenigen stehen, die in der Entscheidungsschlacht der Kräfte des Lichtes gegen die Kräfte des Dunkels gefallen
     sind. Deshalb wird es Zeit, dass wir uns verabschieden.«
    »Es wird Zeit. Zögern wir es also nicht länger hinaus. Leb wohl, Scharley.«
    »Leb wohl, Reinmar. Lass dich küssen, mein Freund.«
    »Lass dich küssen, mein Freund.«
     
    Durch das Fenster drangen Waffenklirren und das metallische Klappern von Hufeisen auf dem steinernen Boden des Hofes. Die
     Besatzung von Nimptsch bereitete sich auf einen Überfall oder einen Ausritt vor. Bedřich ze Strážnice schloss das Fenster
     und setzte sich wieder an den Tisch.
    »Ich freue mich, dich zu sehen«, sagte er noch einmal. »Lebend, in Freiheit und bei guter Gesundheit. Denn es gab Gerüchte
. . .
«
    »Ich freue mich auch, dich zu sehen«, unterbrach ihn Reynevan. »Und es überrascht mich. Den ganzen Weg habe ich mir überlegt,
     ob ich dich hier wohl antreffe. Ob du nicht bereits, Puchałas Beispiel folgend, deine Burgen an die Schlesier verkauft hast.
     Zusammen mit den Idealen und der Wahrheit Gottes.«
    »Wie du siehst, habe ich sie nicht verkauft«, entgegnete der
director
der Stützpunkte von Tábor in Schlesien kühl. »Und ich habe sie auch nicht übergeben, obwohl man mir arg zugesetzt hat. Mir
     in Nimptsch und Pardus in Ottmachau. Aber sie haben sich die Zähne ausgebissen und sind leer ausgegangen.«
    »Es gibt Leute, die meinen, dies sei nur eine Frage der

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