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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Blut schoss wie ein Geysir empor. Als sie dies sahen, zügelten die Waisen ihre Pferde und zogen sich zurück. Scharley,
     Samson und Reynevan nutzten dies und sprengten auf die kleine Brücke zurück. Das Brücklein gewährte den drei nebeneinander
     galoppierenden Pferden nur mit Mühe Durchlass, so dass keine Gefahr bestand, dass man sie umzingelte. Aber die Anzahl ihrer
     Verfolger war noch um das Dreifache höher. Trotz der erheblichen Verluste dachten diese nicht an Rückzug. Zum Glück wagten
     sie es aber auch nicht, sofort anzugreifen.Sie formierten sich. Und es war klar, dass sie nicht klein beigeben würden.
    »Weil wir so lange getrennt waren, hätte ich fast vergessen«, Scharley keuchte, »dass man sich in deiner Gesellschaft einfach
     nicht langweilen kann, Reinmar!«
    »Achtung!«, warnte Samson. »Sie greifen an!«
    Etwa die Hälfte der Waisen sprengte frontal auf die Brücke zu, die anderen trieben ihre Pferde ins Wasser und durchquerten
     den Bach, um ihnen in den Rücken zu fallen. Der einzige Ausweg war die Flucht. Und das schnell. Reynevan, Scharley und Samson
     wendeten die Pferde und jagten im Galopp in Richtung Dorf, vom wilden Geschrei der Verfolger begleitet. »Die geben nicht auf!«,
     rief Scharley, während er sich umblickte.
    »Die mögen dich wohl nicht!«
    »Rede nicht! Reite!«
    Der Wind pfiff ihnen um die Ohren, sie gelangten auf eine große, vor dem Dorf gelegene Wiese. Die Verfolger schwärmten aus,
     um sie einzukreisen. Reynevan stellte mit Entsetzen fest, dass er immer mehr zurückfiel, dass sein Pferd langsamer und langsamer
     wurde. Dass das schnaubende Tier stolperte und lahmte. Immer stärker.
    »Mein Pferd bricht zusammen!«, schrie er. »Samson! Scharley! Lasst mich! Haut ab!«
    »Du bist wohl verrückt geworden!« Scharley riss sein Pferd herum und schwang den Krummsäbel. »Du bist wohl verrückt geworden,
     mein Junge!«
    »Ich will ja nicht unhöflich sein«, Samson spuckte in die Hände und umklammerte seinen Goedendag, »aber du bist einfach verrückt
     geworden!«
    Die Waisen brüllten triumphierend auf, sie formierten sich in Reihen und bildeten einen Halbkreis.
    Das hätte ein böses Ende nehmen können, wäre da nicht ein
deus ex machina
gewesen. In Gestalt von fünfzehn schwer bewaffneten Reitern, die in wildem Galopp von Hanuˇsovice hersprengten.
    Die Verfolger hielten völlig verwirrt die Pferde an, wobei sie nicht wussten, was eigentlich los war. Das Kampfgeschrei und
     das Blitzen der von den Reitern geschwungenen Schwerter zerstreuten aber bald jeglichen Zweifel. Und nahmen ihnen schlagartig
     den Willen und die Lust, diese Veranstaltung fortzusetzen. Wie auf Kommando drehten sich die Waisen von Nachod um und nahmen
     Reißaus. Die Neuankömmlinge auf ihren frischen Pferden hätten sie zweifellos rasch eingeholt und ihnen den Garaus gemacht,
     wenn sie es denn gewollt hätten. Aber sie wollten es nicht.
    »Na bitte, na bitte, was für eine glückliche Fügung«, sagte Urban Horn, langsam heranreitend. »Dich suche ich, Reynevan, ich
     folge deiner Spur. Und wenn auch nur aus purem Zufall, so habe ich es doch geschafft, wie ich sehe. Und wenn ich sage gerade
     noch rechtzeitig, dann liege ich damit wohl nicht falsch, oder?«
    »Nein, tust du nicht.«
    » Salve ,
Scharley.
Salve ,
Samson. Du bist auch hier? Nicht in Prag?«
    » Amico amicus.«
Samson zuckte mit den Achseln, schwenkte seinen Goedendag ein wenig hin und her und musterte aus zusammengekniffenen Augen
     die Bewaffneten um sie herum. »Wenn ein Freund in Not ist, eile ich ihm zu Hilfe. Stehe ihm bei. Unabhängig von den
. . .
Umständen.«
    Horn hatte sofort begriffen. Er lachte.
» Pax , pax ,
ein Freund sei dem andern ein Freund! Reynevan droht von mir nichts. Schon gar nicht, weil ich gehört habe, dass Filou unter
     einer dicken Schicht Erde seine Ruhe gefunden hat. Aber das wisst ihr sicher. Reynevan nach Prag zu schicken, ergibt also
     keinen Sinn. Vor allem nicht, da ich seine Unterstützung auf Burg Eulenberg benötige, ja, sie mir geradezu unentbehrlich ist,
     deshalb lade ich ihn sehr höflich dorthin ein. Sehr höflich.«
    Reynevan und Samson sahen sich um. Von den Pferden ihrer Retter stieg der Geruch von Schweiß auf und Dampf aus den Nüstern,
     und die Mienen der Reiter sprachen Bände.
    »Ein Aufenthalt auf Eulenberg kann dir auch nützen, Reinmar.«
    Horn ließ Scharley und besonders dessen Hand, die den Krummsäbel hielt, nicht aus den Augen. »Wenn dir das Andenken deines
    

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