Lux perpetua
meine.«
»Solange du es noch gut meinst mit uns?«, schrie Pluh spöttisch und stemmte die Fäuste in die Seiten. »Solange du es gut meinst?
Womit drohst du uns denn, Weib? Aus der Büchse da hast du schon das Pulver verschossen! Was denn noch? Zerreißt du dir das
Kleid und zeigst uns den blanken Hintern?«
Die Frauen auf den Wagen befestigten die Haken der Büchsen an den Wagenrändern. Elisabeth Donotek, die Erinnye Tisiphone,
riss mit einer raschen Bewegung die Plane von dem Gegenstand, der neben ihr auf dem Wagen stand. Jan Pluh trat einen Schritt
zurück. Mit ihm die ganze Meute. Erschrocken murrend.
Reynevan hatte die berühmte Waffe noch nie gesehen, nur davon gehört. Die Reaktion der Menge wunderte ihn nicht. Auf einem
Eichenrahmen und einem komplizierten, drehbaren Gestell waren nebeneinander zwölf erzene Läufe befestigt. Das Ganze erinnerte
an eine Kirchenorgel, und so wurde die Waffe auch genannt. Man nannte sie »Todesorgel«, denn sie konnte während eines einzigen
Pater noster
zweihundert Pfund Blei verschießen, in Form von spitzen Geschossen.
Elisabeth Donotek hob die Lunte, blies darauf und brachte so die Enden zum Glühen. Bei diesem Anblick wichen die Waisen weiter
zurück, einige stolperten, andere fielen hin, wieder andere begannen zu fliehen und gebückt davonzulaufen. »Geht weg hier,
ihr Böhmen!« Elisabeth Donotek hob ihre Stimme. »Junker Reynevan, ein gesatteltes Pferd wartet auf dich! Verlier keine Zeit!«
Das ließ er sich nicht zweimal sagen.
Er schonte sein Pferd nicht. Er jagte das Flusstal hinunter,
ventre à terre
, dass die Erde unter den Hufen nur so spritzte. Sein Pferd war schon schweißbedeckt und begann schwer zu atmen, aber Reynevan
verlangsamte das Tempo nicht. Er machte sich nichts vor. Er wusste, dass ihn die Waisen jagten.
Sie jagten ihn. Es dauerte nicht lange, bis er in der Ferne hinter sich Rufe vernahm. Da er vermeiden wollte, dass sie ihn
im offenen Gelände dahinjagen sahen, bog er zwischen den Weiden ab, jagte schlammspritzend weiter und feuerte das Pferd immer
wieder mit den Sporen an.
Er sprengte auf den Weg zurück und zügelte sein Pferd. Die Verfolger ließen sich nicht abschütteln, mit Geschrei und Gebrüll
kämpften sie sich durch das Unterholz. Reynevan beugte sich über den Hals seine Pferdes und galoppierte wieder an. Das Pferd
keuchte, Schaumfetzen flogen aus seinem Maul.
Er fegte wie der Wind an Bauernkaten und Hirtenhütten vorbei, erkannte den Ort, wusste, dass er Hanušovice jetzt schon fast
erreicht hatte. Aber die Verfolger waren ihm auf den Fersen. Einstimmiges Gebrüll informierte ihn darüber, dass die Waisen
ihn erspäht hatten. Kurz darauf sah er sie auch. Mindestens zwanzig Reiter. Er ließ die Zügel schießen, und das Pferd wurde
noch schneller, obschon das an ein Wunder grenzte.
Vom Dorfe her stürmten wie ein Orkan zwei Berittene. Der eine, von riesiger Gestalt, schwang einen flämischen Goedendag,als wäre es eine Peitsche. Der andere, auf einem prächtigen Rappen, war mit einem Krummsäbel bewaffnet.
Samson und Scharley rasten an Reynevan vorüber und drangen heftig auf die Waisen ein. Scharley schickte mit zwei mächtigen
Hieben zwei Reiter zu Boden, ein dritter, dessen Gesicht etwas abbekommen hatte, krümmte sich im Sattel. Samson schlug mit
seinem Goedendag mal auf die Männer ein, mal auf die Pferde und stiftete dabei heillose Verwirrung. Reynevan wendete sein
Pferd und biss die Zähne zusammen. Er hatte eine Rechnung zu begleichen. Für die Schläge, für das Angespucktwerden, für das
Sauerkrautfass. Dem hilflos im Sattel Hängenden entriss er das Schwert und stieß damit abwechselnd nach rechts und nach links.
Er hörte, wie jemand Bibelzitate brüllte, und fand so den Anführer seiner Verfolger, den ziegenbärtigen Prediger. Er drängte
sich zu ihm durch, die Hiebe der anderen abwehrend.
»Satansbrut! Philister!« Der Prediger hatte ihn bemerkt, er riss sein Pferd herum und drang, sein Schwert schwingend, auf
ihn ein. »Der Herr hat dich in meine Hände gegeben!«
Sie schlugen gewaltig aufeinander ein, einmal, und noch einmal, dann wurden sie durch die scheuenden Pferde voneinander getrennt.
Und am Ende war es Scharley, der sie trennte. Scharley hielt wenig vor ehrpusseligen Zweikämpfen und ritterlichem Verhaltenskodex.
Er drang von hinten auf den Prediger ein und trennte ihm mit einem gewaltigen Hieb seines Krummsäbels den Kopf von den Schultern.
Das
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