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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Rosmarinduft erhob sich, das Licht, das durch die Fenster drang, fiel auf ihr Gesicht.
     Der Spion senkte sofort den Blick. Sein Instinkt warnte ihn, dass es besser war, nicht hinzusehen,
    »Gnädige Herrin?«
    »Ich höre.«
    »Ich verrate den Bischof und denunziere ihn, weil ich wütend auf ihn bin
. . .
Aber das ist ein Geistlicher, ein Diener Gottes
. . .
Werde ich wohl dafür verdammt werden?«
    »Hat sich der Bischof schon wieder unbeliebt bei dir gemacht? Womit denn diesmal?«
    »Mit der alten Geschichte. Er verleumdet meine Mutter. Ihr wisst doch, Herrin, mein Vater war ein Kobold, meine Mutter aber
     ein gutes und anständiges Frauenzimmer
. . .
«
    »Deine Mutter war eine Jüdin«, unterbrach ihn die Frau mit der Altstimme. »Ihre Eltern waren getauft, aber das ändert nichts.
     Mütterlicherseits bist du ein Jude, der Vater zählt nicht, da ist es nicht von Bedeutung, ob er ein Kobold, ein Zwerg, ein
     Faun, ein Zentaur oder sogar ein fliegender Drache gewesen ist. Du bist Jude, Grajcarek. Wenn du in die Synagoge gingst, wüsstest
     du, dass einen Juden am Tag des Jüngsten Gerichts entweder der Garten Eden oder das Gehenna-Feuer erwartet, je nachdem, welche
     Taten er vollbracht hat, ob er gut oder böse war. Die Taten werden in einem Buch verzeichnet. Dies ist ein sehr altes Buch,
     man könnte auch sagen, ein ewiges. Als man damit begann, darin alles aufzuzeichnen, gab es noch keine Bischöfe, man kannte
     nicht einmal das Wort. Darum brauchst du dich auch nicht zu sorgen. Wenn du den Rabbiner ausspionieren würdest, oh, das wäre
     ein Grund zur Sorge.«
     
    Douce von Pack ließ ihr Pferd angaloppieren, gab ihm die Sporen und schleuderte aus vollem Lauf die Lanze. Die Spitze bohrte
     sich mit einem dumpfen Hallen in den Torpfosten, dass das Holz erzitterte. Das Mädchen zügelte das Pferd und brachte es aus
     vollem Galopp zum Stehen.
    »Sie ist die reinste Landplage.« Ulrich von Pack schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts als Ärger mit diesem Mädchen.«
    »Verheiratet sie. Soll sich doch der Ehemann ärgern lassen.«
    »Vielleicht habt Ihr ja Lust, Herr von Czirne? Wollt Ihr? Ich geb’ sie Euch, heute noch. Und an Mitgift will ich auch nicht
     sparen.«
    »Ich bedanke mich recht schön.« Hayn von Czirne sah auf die Lanze, die im Pfosten steckte. »Aber ich nehme lieber Abstand
     von diesem Angebot.«
    »Herr von Hunt?«
    »Verzeiht«, Kutscher von Hunt zuckte mit den Achseln, »aber ich bevorzuge die, die lieber häkeln.«
     
    Bei den Dominikanern schlug die Glocke zur Vesper. Die untergehende Sonne tauchte die Fensterscheiben in ein kräftiges Rot,
     Purpur und Gold.
    »Seine Hochwürden der Inquisitor ist nicht anwesend«, antwortete Łukasz Bożyczko mit seinem polnischen Akzent. »Er ist verreist.«
    Der Mauerläufer hatte es schon zweimal mit schwarzer Magie versucht, zweimal hatte er versucht, den Diakon mit heimlich ausgesprochenen
     Zaubersprüchen zu erschrecken und ihn sich dienstbar zu machen. Die Zaubersprüche hatten nichts genützt, sie verpufften einfach
     in der Luft. Klar, dass dies nur einem Schutzzauber zu verdanken war. Das gesamte päpstliche Officium, dachte der Mauerläufer,
     wer weiß, vielleicht auch die ganze St.-Adalbert-Kirche ist mit einem Zauberbann umgeben. Denn man kann sich doch wohl kaum
     vorstellen, dass Bożyczko, dieser einfältige Pfaffe, mit Magie vertraut ist und sie anzuwenden versteht.
    »Er ist verreist«, äffte er den Diakon nach. »Wohl nach Rom,
ad limina
? Du musst nicht antworten, Bożyczko, es ist doch klar, dass Hejncze dir nicht gesagt hat, wohin er reist. Den Grund seiner
     Reise, nehme ich an, hat er dir auch nicht verraten? Der Inquisitor vertraut sich nicht jedem an. Hat er wenigstens das Datum
     seiner Rückkehr genannt?«
    »Auch was seine Rückkehr anbelangt«, Łukasz Bożyczkos Gesicht war wie aus Granit gemeißelt, »hat Seine Hochwürden der Inquisitor
     es nicht für sinnvoll gehalten, sich zu äußern. Was jedoch den Grund für seine Reise betrifft, so ist dieser allgemein bekannt.«
    »Ich höre, damit er auch mir zur Kenntnis gelangt.«
    »Seine Hochwürden der Inquisitor widmet sich gegenwärtig dem Problem der Bekämpfung des Terrorismus.«
    »Ein hohes Ziel hat sich Hejncze da gesteckt.« Der Mauerläufer nickte. »Da gibt es wahrlich etwas zu bekämpfen. Der hussitische
     Terror ist wirklich ein Problem geworden.«
    »Seine Hochwürden der Inquisitor«, Bożyczko senkte den Blick nicht, »hat nicht angegeben, um welchen

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