Lux perpetua
aber nicht. Er fühlte sich damals sehr stark, er wurde unterstützt von Friedrich
von Österreich und den Burgundern sowie vom Geld der Medici, daher begann er, Widerstand zu leisten. Die Kardinäle fackelten
nicht lange, sie beschlossen, ihn unter Druck zu setzen. Nach einem einfachen Prinzip: entweder Rücktritt oder Scheiterhaufen.
Rasch wurden denn auch die Anklagen fabriziert. Standardisierte, nach dem Schema: Veruntreuung, Korruption, Häresie, Simonie,
Pädophilie, Sodomie
. . .
«
»Davon habe ich gehört. Alle haben davon gehört.«
»Ach ja?« Der Schweizer musterte mit einem raschen Blick den Inquisitor von Kopf bis Fuß. »Lassen wir die allgemein bekanntenDinge also beiseite. Und gehen wir zu den weniger bekannten über. Obwohl man ihn eingekerkert und nicht weniger streng bewacht
hatte als Hus, floh Johannes XXIII. in der Nacht vom 20. zum 21. März aus Konstanz. Er versteckte sich in Schaffhausen bei seinem Protektor Friedrich von Österreich. Von dort erhielt das
Konzil auch die Nachricht, eine mächtige Magie habe ihm seine erfolgreiche Flucht ermöglicht. Der Jude Meir ben Haddar, ein
mächtiger Magier, der Friedrich diente, habe die Wachen mit giftigen Miasmen erstickt und Johannes mit einem Zauberluftschiff
entführt. Dieses Gerücht wurde von Johannes selbst gestreut, das ist ganz klar, um das Konzil wissen zu lassen, welche mächtigen
Verbündeten er habe. Um die Kardinäle zu warnen, dass er den Stuhl Petri nicht kampflos verlasse und gegen jeden Pontifex
antrete, den sie wählen würden. Und so hat das große Schisma, anstatt beseitigt zu werden, vor den Augen des Konzils begonnen
sich zu vertiefen.
Unter den Kardinälen herrschte eine nicht geringe Verwirrung, niemand wusste, was zu tun war. Und da sprang, wie das Teufelchen
aus der Schachtel, Conradus de Oels, Konrad von Oels, hervor, der den Bischof von Breslau auf seiner Reise zum Konzil begleitet
hatte. Konrad war eine bekannte Persönlichkeit, die in der internationalen Politik Ansehen genoss, er erfreute sich großer
Hochachtung vonseiten König Sigismunds, daher hörten die Kardinäle ihn an, trotz seines damaligen niederen kirchlichen Ranges.
Konrad versprach nicht mehr und nicht weniger, als dass er im Verlauf von zwei Monaten den ungehorsamen Antipapst ergreifen,
nach Konstanz schleppen und vor das Konzil bringen werde. Seine einzige Bedingung: Niemand möge ihn je danach fragen, wie
ihm das gelungen sei, auf welche Weise und mit wessen Hilfe. Und was geschah? Schon am 20. Mai Anno Domini 1415 stand Johannes XXIII. als Baldassare Cossa vor den Kardinälen, zitterte vor Angst, weinte, bat mit bebender
Stimme um Erbarmen und schwor, er werde alles tun, was das Konzil von ihm verlange.
Über der Freude und der Euphorie über das Ende des Schismas rückten zunächst alle anderen Dinge in den Hintergrund, aber es
kam der Moment, wo man anfing, die Angelegenheit näher zu untersuchen. Versuchte herauszufinden, was sich in diesen zwei Monaten
ereignet hatte. Was war geschehen, fragte man sich, dass der kampferprobte Cossa plötzlich derart weich geworden war. Womit
hatte man ihn erschreckt, was hatte dieser kriegerische Gegenpapst gesehen, dass er sich so plötzlich in ein sabberndes, bedauernswertes
Menschenbündel verwandelt hatte? Warum verbarrikadierte sich Friedrich von Österreich auf seinem Schloss in Innsbruck und
steckte nicht einmal die Nasenspitze hinaus? Was war mit den Begleitern des Gegenpapstes geschehen, die mit ihm aus Konstanz
geflohen waren? Und wo war der Jude Meir ben Haddar? Denn vom Magier Haddar existierte keine Spur mehr. Seit jener Zeit, seit
Mai 1415, wurde Haddar von niemandem mehr gesehen.«
»Und all das«, Hejncze rang sich schließlich zu einer unlogischen Schlussfolgerung durch, »soll das Werk jenes Birkhart von
Grellenort gewesen sein?«
»So und nicht anders war es.« Der Schweizer nickte. »Birkhart von Grellenort, der Akolyth und Vertraute Konrads, sein Zögling
und wie manche sogar behaupten, sein Bankert. Der Magier. Der Theurg. Der Sortilegus. Der Nekromant. Der Metamorph, einer,
der seine Gestalt verändern kann
. . .
«
»Grellenort war zur Zeit des Konzils in Konstanz höchstens
. . .
«, sagte Hejncze nachdenklich.
»Zwanzig Jahre alt«, ergänzte der Schweizer. »So ist es. Dieser Zwanzigjährige hat Meir ben Haddar beseitigt, den Magier,
von dem es hieß, er stecke mit dem Teufel selbst unter einer Decke. Mit wem
. .
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