Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch
Nasen. Es würde eine eisige Fahrt werden. Und eine stinkige.
»Mann, der Kram riecht ja schlimmer als Billys Füße«, stöhnte Serdan. »Ich hasse Käse.«
Ich hörte, wie er in seinen Hosentaschen kramte. Dann sprang neben mir ein kleines Flämmchen an. Serdan hatte ein Feuerzeug dabei. Wenigstens etwas, dachte ich. Mehrere Stunden in einem stinkenden, kalten Wagen zu verbringen war etwas anderes, als mit den Manouches in ihren kuscheligen Wohnwagen zu reisen, wo man unterwegs schlafen, essen und fernsehen konnte.
Ich tastete den Boden ab, auf dem wir hockten, denn ich hatte vorhin geglaubt, etwas Weiches zu fühlen. Ich hatte richtig gefühlt – in der Ecke lag eine staubige, kratzige Decke, die ebenfalls penetrant nach Käse stank, uns aber ein bisschen Wärme verschaffen konnte. Wir setzten uns mit dem Rücken zur Wand, warfen die Decke über unsere Schultern und kuschelten uns dicht aneinander, obwohl ich genau spürte, dass Serdan eigentlich lieber alleine sein wollte. Doch das ging in einem Käsewagen nun mal schlecht. Und wir wollten nicht erfrieren.
»Ich brauche eine Hose«, brach ich unser frostiges Schweigen.
»Oh Luzie, wir haben echt andere Probleme als neue Klamotten …«
»Nein, im Ernst. Ich brauche eine Hose. Meinst du, hier liegt irgendwo eine Hose herum?«
»Warum sollte hier denn eine Hose liegen?« Serdans Worte kamen unwillig und abgehackt aus seinem Mund. Bald würde er gar nichts mehr sagen, also ließ ich das Thema fallen und grübelte allein darüber nach, wie ich zu einer Hose gelangen oder aus meinem Rock eine Hose machen konnte. Denn ich würde wahrscheinlich ein wenig Akrobatik anwenden müssen, um in Johnnys Haus zu gelangen. Serdan dachte bestimmt, ich würde es dabei belassen, vor dem Haus stehen zu bleiben und nach oben zu sehen, nachdem ich kapiert hatte, dass ich da sowieso niemals reinkommen würde. Doch so einfach war es nicht. Aber ich beschloss, mit meinen Hosenüberlegungen zu warten, bis wir angekommen waren. Denn auch unsere Ankunft barg ihre Tücken. Woher sollte ich wissen, welches Haus Johnnys Anwesen war? Claude fuhr die Reichen an, hatte Mandolino gesagt. Davon gab es eine Menge an der Côte d’Azur und in jeder Prachtvilla konnte sich Johnny verbergen.
Im Moment waren wir offensichtlich auf der Autobahn. Der Wagen fuhr nun keine Kurven mehr und ich hatte das Gefühl, dass er sich sehr schnell fortbewegte. Johnny würde gewiss nicht direkt an der Autobahn wohnen und die anderen Reichen auch nicht. Deshalb lehnte ich kurzerhand meinen Kopf an Serdans Schulter, wickelte mich noch fester in die kratzige Decke ein und hoffte darauf, dass mir im Schlaf eine Lösung für all die Hürden, die sich vor uns aufbauten, einfallen würde.
Doch kaum hatten wir die Autobahn wieder verlassen, war an Schlaf nicht mehr zu denken. In jeder Kurve stöhnte Serdan gequält auf, jammerte, dass ihm schlecht vom Käsegestank sei und er hier endlich rauswolle. Anfangs dachte ich, er sei nur wieder mies gelaunt, aber dann merkte ich, dass er den Käse wirklich verabscheute und ihm übel war. Beim Feuerzeugcheck stellte ich fest, dass er aschfahl aussah.
»Ich vertrage eben keinen Käse«, sagte er vorwurfsvoll, nachdem ich ihn angeleuchtet und begutachtet hatte.
»Du sollst ihn ja nicht essen. Nur riechen.«
»Ist doch fast dasselbe«, erwiderte Serdan angeekelt und drückte sich einen Deckenzipfel vor die Nase, bevor wir wieder zur Seite geworfen wurden, weil der Wagen eine neue Kurve ansteuerte.
»Kotz mir bloß nicht auf die Knie«, bat ich Serdan, doch er schluckte tapfer und hielt sich mit der gesamten Faust die Nase zu, um nicht an den Käse oder Billys Füße denken zu müssen.
Schon bei Claudes erstem Lieferungsstopp nach gefühlten siebzehn Stunden musste ich mir eingestehen, dass es unmöglich sein würde, Johnnys Haus zu erkennen. Ich hatte nie ein Foto von dem Haus gesehen und auch Serdan hatte bei seiner Blitzrecherche im Internet keines gefunden. Sobald Claude mit wiegendem Gang und einer großen Kiste auf seinen speckigen Unterarmen – denn Claude war der Dicke, mein Tipp war richtig gewesen – dem riesigen Tor des ersten Anwesens entgegengeschlendert war, standen wir auf und streckten unsere Nasen durch die Seitenklappe. Serdan rang nach Luft, als sei er kurz vor dem Ersticken gewesen.
Doch wir konnten weder einschätzen, ob wir in Le Plan-de-la-Tour waren noch ob es sich bei der Prachtvilla mit Pool und riesigem Garten um Johnnys Haus handelte. Claude war
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