Luzifers Geliebte (Geschichtentrilogie Band 2 Fantastische Geschichten)
tatsächlich geträumt haben. Es war alles so real. Obwohl, manchmal hatte er ja schon an der Realität gezweifelt. Und gestern Abend besonders.
Wer war das Mädchen in dem altmodischen Kleid?
Es musste sie geben. Es durfte kein Traum sein.
Aufgewühlt eilte Sanders durch die Stadt; er suchte alle Plätze auf, an denen er mit Elisabeth gewesen war, ging in alle Restaurants, die kleinen, lauschigen Cafes, die sie besucht hatten, fragte die Leute nach ihr. Doch ohne den geringsten Erfolg.
Am Abend setze er sich ermattet in sein Auto auf dem Parkplatz vor dem Hotel und wartete erschöpft auf Elisabeth.
Vielleicht würde sie ja doch noch kommen. Bestimmt hatte sie etwas zu erledigen, von dem er nichts wissen sollte.
Quälend langsam verging Stunde um Stunde. Doch Elisabeth erschien nicht.
So hetzte er nochmals in die Stadt. Wieder ohne Erfolg. Von Elisabeth war nicht die geringste Spur zu entdecken. Niemand hatte sie gesehen, geschweige denn gesprochen.
Völlig abgespannt gelangte Sanders zu seinem Auto, schob die Sitze nach hinten, mit der Absicht, etwas auszuspannen, und nickte endlich ein. Doch kurz darauf erwachte er wieder. Jemand hatte mit der flachen Hand an die Windschutzscheibe geklopft.
Erschreckt fuhr er hoch. Er sah in ein Gesicht, das sich an die Scheibe presste, dann einen Mann, der aussah wie ein Schatten. Das Gesicht öffnete den Mund, klappte ihn wieder zu, sperrte ihn wieder auf. Doch kein Laut war zu hören.
Entsetzt und zu Tode erschrocken, sah er, dass der Schattenmann den übergroßen Schlüssel mit der Nummer 36 über seinem Kopf hielt und damit wedelte wie mit einem Fächer. Doch dann atmete er erleichtert auf. Das war doch der stumme Portier mit der Narbe. Vermutlich wollte er einen Irrtum aufklären. Der Schlüssel passte vielleicht zu einem anderen Zimmer. Unerklärlich war ihm nur, dass dieser Kerl ihm keine Angst mehr einflößte, sondern ihm sogar vertraut erschien. Kurios, kurios.
Doch da. Was sollte denn das?
Verwundert rieb sich Sanders die Augen. Da stand ja auch Elisabeth. Da. Auf der Treppe. Und sie lächelte ihm zu. Na, also.
Schnell öffnete er die Tür, stieg aus dem Wagen und folgte dem Portier, der dem Hotel zustrebte.
Doch plötzlich war der Portier nicht mehr zu sehen, und auch Elisabeth stand nicht mehr auf der Treppe. Stattdessen wurde es hell in der oberen Etage, und wie gestern kamen Elisabeth und hinter ihr der Mann mit der Narbe schwebend die Rolltreppe herab.
"Scheiße!", rief Sanders plötzlich, "von wegen Rolltreppe! Die schweben ja! Das sind ja Geister!"
Voll Panik rannte er zurück zu seinem Auto, verriegelte in Windeseile die Türen, ließ sich schaudernd auf seinen Sitz fallen.
"Nur Ruhe", beschwor er sich, nachdem er mehrmals tief durchgeatmet hatte, "Ruhe. Nerven behalten. Alles klärt sich auf."
Mit dem Tuch, mit dem er sonst die Scheiben reinigte, wischte sich Sanders den Schweiß vom Gesicht. Plötzlich durchzuckte ihn wieder ein Geistesblitz. Panisch rannte er zurück zum Hotel und hetzte durch alle Gänge. Er musste das Rätsel lösen. Er befand sich in der Realität. Es konnte kein Traum sein.
Aber eine dritte Etage gab es nicht. Das Hotel hatte nur zwei Stockwerke.
Doch da, die dritte, nicht vorhandene Etage, war jetzt hell erleuchtet. Wahnsinn.
„Was ist hier los!“, schrie er wie ein Verrückter nach oben und fuchtelte wild mit seinen Armen. „Spinnt ihr denn alle!“
Da fingen wie in einer Diskothek die Lichter in der dritten Etage an, in allen Regenbogenfarben zu blitzen und zu kreisen. Und da! Da tanzte Elisabeth mit dem Narbenmann einen wilden Tanz. Einen Hexentanz. Real oder nicht. Sanders beobachtete fasziniert dieses Schauspiel.
Elisabeth und der Narbenmann schienen zu gleiten, sie bewegten sich leicht und anmutig in verschiedenen tänzerischen Figuren, um dann, plötzlich, in erotisch verschlungenen Posen einen Moment zu erstarren und diesen Wahnsinnstanz von Neuem zu beginnen.
Sanders konnte sich nicht satt sehen. Alles geschah gespenstisch lautlos.
Lange stand er wie erstarrt.
‚Nur Ruhe. Einen kühlen Kopf bewahren‘ , dachte er wiederholt.
Er entschloss sich, alles Erlebte noch einmal Revue passieren zu lassen.
Es musste eine Erklärung für diese unheimlichen Dinge geben. Er würde sich nicht zum Narren halten lassen. Von wem auch immer. Auch nicht von seiner eigenen Phantasie. Also, immer schön der Reihe nach.
Als er am ersten Tag in Teheran ankam, erinnerte er sich, war er in die Stadt bergab
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