Luzifers Hammer
vier Umschläge heraus, die mit einem Gummiband zusammengebunden waren. Dabei duckte er sich. Im selben Augenblick spurtete er zum Briefkasten der Romans, steckte das Päckchen ein und rannte wieder in Deckung, als der nächste Schuß fiel.
Harry war kein Polizist, er war unbewaffnet, und er sah keine Möglichkeit, den Romans irgendwie zu helfen, nicht die Bohne! Außerdem konnte er die Straße nicht benutzen. Keine Deckung.
Der Graben auf der anderen Seite? Er würde voll Wasser sein, aber es war das Beste, was er tun konnte. Ein kurzer Spurt über die Straße, dann auf Händen und Knien robben …
Aber er durfte die Tasche mit der Post nicht stehen lassen.
Warum eigentlich nicht? Wem würde das schaden? Der Hammer war gefallen, und keiner brauchte mehr einen Postboten. Keiner. Was geht mich das alles an?
Er grübelte nicht lange über die Frage nach.
»Es macht mir wohl was aus«, sagte er laut. »Ich war ein Versager, immerhin mit einigen guten Noten in der High School, weil ich mich auf meine vier Buchstaben gesetzt hatte; einer, der aus dem College hinausflog und bei jeder Arbeit, die er annahm, früher oder später gefeuert wurde …«
Gottverdammich, ich bin Postbote! Er nahm die schwere Tasche und duckte sich wieder. Hier oben ging es merkwürdig zu.
Vielleicht hatten die nur geschossen, um ihn zu verscheuchen?
Aber warum?
Er holte tief Luft. Tu es jetzt! sagte er zu sich, bevor du zuviel Schiß kriegst, um es überhaupt zu tun. Wieder fiel ein Schuß, aber er meinte, die Kugel habe nicht sehr nahe eingeschlagen.
Harry arbeitete sich durch den Graben, halb kriechend, halb schwimmend, die Tasche auf dem Rücken, damit sie nicht naß wurde.
Es fiel kein Schuß mehr, Gott sei Dank! Die Muchos Nombres Ranch lag nur wenige Meilen entfernt. Vielleicht besaßen sie Waffen oder ein Telefon, das funktionierte … Funktionierten die Telefone überhaupt? Die Shire war nicht unbedingt eine ernstzunehmende Informationsquelle, aber die schienen sich ihrer Sache sicher zu sein. »Nie ist ein Polizist zur Hand, wenn man einen braucht«, knurrte Harry.
Er mußte äußerst vorsichtig sein, wenn er sich auf der Muchos Nombres Ranch sehen ließ. Es konnte durchaus sein, daß die Besitzer etwas nervös waren. Und wenn sie es nicht waren, konnten sie es verdammt gut werden!
Es dämmerte bereits, als Harry die Muchos Nombres Ranch erreichte. Der Regen war stärker geworden und klatschte schräg runter, und Blitze zuckten über den fast schwarzen Himmel.
Die Muchos Nombres umfaßte 30 Hektar hügeliges Weideland, mit den üblichen weißen Felsbrocken durchsetzt. Von den vier Familien, die sie gemeinsam bewirtschafteten, pflegten mindestens zwei Harry zum Kaffee einzuladen, eine Tatsache, die ihn etwas verwirrte und verschüchterte. Er wußte nämlich nie, wer gerade an der Reihe war. Die Familien wechselten sich im vierwöchigen Turnus ab, und sie nützten die Ranch als Ferienaufenthalt. Manchmal fuhren sie weg, manchmal brachten sie auch Gäste mit. Die vielen Besitzer hatten sich nicht auf einen Namen einigen können und hatten sich schließlich für Muchos Nombres entschieden. Der spanische Name störte keinen.
An diesem Tag hatte Harry seine Schüchternheit abgelegt. Er rief sein »Die Post ist da!« in die Gegend und wartete, ohne eine Antwort zu erwarten. Dann öffnete er das Tor und trat ein.
Harry kam an die Haustür, die aussah wie die Tür einer alten Gruft. Er klopfte an. Die Tür ging auf.
»Die Post«, sagte Harry. »Hallo, Mr. Freehafer. Tut mir leid, daß ich so spät dran bin, aber es ist eine Notlage.«
Freehafer trug eine automatische Pistole. Er faßte Harry genau ins Auge. Das Wohnzimmer hinter ihm schimmerte im Kerzenlicht, und es sah so aus, als wären eine Menge Leute drin.
Doris Lilly sagte: »Was denn, es ist Harry! Bill, es geht in Ordnung. Es ist Harry, der Postbote.«
Freehafer ließ die Waffe sinken. »Gut, freut mich, Sie zu sehen, Harry. Kommen Sie rein! Was ist das für ein Notfall?«
Harry trat aus dem Regen unters Dach. Jetzt sah er den dritten Mann, der hinter einem Türpfosten hervortrat und eine Waffe weglegte. »Die Post«, sagte Harry und holte die Zeitschriften heraus, die übliche Post für Muchos Nombres . »Irgend jemand hat bei Carrie Roman auf mich geschossen. Das war keiner, den ich kannte. Ich glaube, die Romans haben Schwierigkeiten. Geht Ihr Telefon?«
»Nein«, sagte Freehafer. »Wir können heute Abend nicht raus.«
»Okay. Mein Postauto ist an einem Hang
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