Luzifers Hammer
noch, daß es Ihren Senator Jellison überhaupt nicht gibt«, sagte Harry. »Ich habe diesen Zustellbezirk nun schon seit acht Monaten, aber ich hab’ ihn noch nie zu Gesicht bekommen.«
Mrs. Cox betrachtete ihn aufmerksam. Eigentlich war er ein ganz netter Junge, aber Mrs. Adams war der Meinung, ihre Tochter würde ihm entschieden zuviel Aufmerksamkeit widmen. Harrys lange, braune, fließende Haarpracht hätte einem Mädchen gut zu Gesicht gestanden. Er trug einen hübschen Bart, und sein Schnurrbart war ein wahres Meisterwerk. Er lief in spitzen Enden aus, die Harry bei Gelegenheit hübsch zwirbelte, so daß sie wie kleine Sechserlocken aussahen.
Er mag sein Haar wachsen lassen, dachte Mrs. Cox, aber er ist klein und schmächtig, kleiner als ich. Sie fragte sich erneut, was wohl Donna Adams an ihm fand. Vielleicht war es sein Auto. Harry besaß einen Sportwagen, während alle Jungs in der Gegend Kombis fuhren wie ihre Väter.
»Sie werden den Senator sehr wahrscheinlich bald sehen«, sagte Mrs. Cox. Das war ein Zeichen allerhöchster Gunst, obwohl Harry dies nicht wußte. Mrs. Cox war sehr wählerisch, was jene Personen betraf, die dem Senator begegnen durften.
Alice wühlte in dem bunten Papierberg, der sich auf dem Tisch stapelte. »Diesmal ist es eine ganze Menge. Wie kommt so was zusammen?«
»Art zwei Wochen«, sagte Harry.
»Nun, Harry, wir danken Ihnen«, sagte Mrs. Cox.
»Ich danke auch«, setzte Alice hinzu. »Hätten Sie den ganzen Kram nicht ins Haus gebracht, so hätte ich ihn raufschleppen müssen.«
Harry stieg wieder in seinen Wagen, fuhr die lange Auffahrt hinunter und hielt noch einmal an, um den Blick auf die High Sierra zu genießen. Dann ging es weiter zur nächsten Ranch, die eine gute halbe Meile weiter entfernt lag. Der Senator hatte einen großen Landbesitz, aber das meiste davon war trockenes Weideland, mit Erdhörnchen-Löchern durchsetzt. Es war guter Boden, doch das Wasser war knapp und reichte nicht für eine Bewässerung.
Hinter dem nächsten Tor war George Christopher in seinem Orangenhain mit etwas Undefinierbarem beschäftigt. Wahrscheinlich will er Reisig verbrennen, überlegte Harry. Christopher war ein bulliger Mann, nicht größer als Harry, aber zweimal so breit, stiernackig, kahlköpfig und sonnengebräunt, obwohl er kaum älter war als dreißig. Er trug ein kariertes Flanellhemd, dunkle Hosen und schmutzige Stiefel.
Harry lud seinen Postsack ab und stieg aus. Christopher runzelte die Stirn. »Schon wieder Mülltag, Harry?« Er musterte das lange Haar und das extravagant gestutzte Bärtchen, und seine Stirnfalten vertieften sich.
Harry grinste ihn an. »Jawohl, einen fröhlichen Mülltag auch alle zwei Wochen, pünktlich wie die Uhr. Ich trag’s Ihnen in Haus rauf.«
»Das muß nicht sein.«
»Ich tu’s aber gern.« Hier gab es zwar keine Mrs. Christopher, aber George hatte eine Schwester in Alice Cox’ Alter, die sich gern mit Harry unterhielt, ein sonniges kleines Geschöpf, mit dem es sich gut plaudern ließ und das allerhand Neuigkeiten aus Harrys Tal zu erzählen, wußte.
»Also gut. Denk’ an den Hund.«
»Natürlich.« Harry hatte keine Angst vor Hunden.
»Ich frage mich oft, was die Werbeindustrie für deinen Kopf zahlen würde«, meinte Christopher.
»Ich würde sie Punkt für Punkt widerlegen«, sagte Harry.
»Diese Abschreibungen und Steuerbegünstigungen und all der Kram sind nur dazu gut, uns eine Menge Zeit zu stehlen. Wie sieht es überhaupt mit Ihren Steuern aus?«
Christophers Stirn glättete sich, fast lächelte er. »Nun ja, Harry. Wir kämpfen auf verlorenem Posten. Die Position des Steuerzahlers ist von vornherein hoffnungslos.
Ich mache das Tor hinter dir zu.«
Feierabend. Harry begab sich in die Sortierräume hinter dem Postamt. An seinem Platz hing ein Zettel.
»Harrichen: Der Wolf will dich sofort sprechen. Gina XXX.«
Gina – groß, schwarz, aufrecht und großknochig, die einzige Schwarze im Tal, soweit dies Harry bekannt war – saß am Schalter.
Harry winkte ihr zu und klopfte dann an die Tür des Amtsvorstehers.
Mr. Wolfe musterte ihn kalt, als er eintrat. »Einen schönen Mülltag auch, Harry«, sagte Wolfe.
Hoppla! Aber Harry lächelte. »Danke, und einen schönen Mülltag auch für Sie, Sir.«
»Harry, das ist kein Spaß. Warum machen Sie das? Warum sortieren Sie die Werbung aus und lassen sie alle vierzehn Tage auf einen einzigen Tag zusammenkommen?«
Harry zuckte die Achseln. Er hätte sagen können: Das
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