Lycana
Vernünftige, das ich aus deinem Mund höre, Nosferas.«
»Vernünftig?«, widersprach Alisa zweifelnd. »Vernünftig wohl kaum, aber ein durchaus brauchbarer Einfall.« Luciano strahlte über das unerwartete Lob. Alisa sah sich aufmerksam um. »Unsere Aufpasser scheinen anderswo beschäftigt zu sein. Also los. Eine bessere Gelegenheit wird sich uns nicht bieten. Jetzt sind die Spuren noch frisch!«
»Und fang nun nicht an zu jammern, du würdest deine Blutmahlzeit versäumen, die sie gerade im Saal auftragen«, zischte Franz Leopold, der Lucianos leidende Miene richtig deutete.
»Ich wollte euch nur darauf hinweisen, dass es besser ist, solch eine Unternehmung gestärkt zu beginnen«, rief er beleidigt.
Alisa wiegte den Kopf hin und her. »Das ist nicht falsch gedacht. Ich fürchte nur, später werden wir keine Gelegenheit mehr bekommen, uns unbemerkt davonzuschleichen. Außerdem könnte der Abstand dann bereits zu groß sein. Die beiden Lycana sahen nicht gerade träge aus und die Druidin reitet ein außergewöhnliches Pferd. Über Ivy muss ich nichts sagen.«
Franz Leopold machte eine ungeduldige Handbewegung. »Warum stehen wir dann noch hier?« Die Worte waren kaum verweht, da hatte er die andere Seite der Zugbrücke bereits erreicht.
»Komm!«, rief Alisa und rannte ihm nach. Luciano stöhnte, doch er folgte ihr, so schnell er konnte. Auf der anderen Seite des Flusses ließen sie ihn aufschließen.
»Streng dich ein wenig an!«, herrschte ihn Franz Leopold an. »Du wirst schon nicht gleich zusammenbrechen.«
Sie liefen den leicht ansteigenden Feldweg zum Dorf hinauf, den die Reiterin und die Vampire vor wenigen Minuten genommen hatten. Luciano schwieg und konzentrierte sich auf das Vorwärtskommen. Bei allen Dämonen der Nacht, liefen die beiden etwa noch schneller als sonst? Sie bewegten sich leichtfüßig und in seltsam synchronen Bewegungen voller Leichtigkeit und Eleganz. Wie machten sie das nur? Sein Körper war schlanker geworden und er war in den vergangenen Tagen viel gelaufen, und dennoch konnte er sich nicht mit ihnen messen. Lag das am Blut seiner Familie?
Der Abstand zwischen ihnen vergrößerte sich bereits wieder. Franz Leopold und Alisa hatten schon die ersten Scheunen erreicht. Sie hielten inne, um sich der Fährte zu vergewissern, dann schlugen sie einen Bogen nach rechts.
»Nicht trödeln!«
Sie umrundeten das Dorf und folgten dann einer Karrenspur nach Nordwesten. Der Himmel wurde nur von ein paar Sternen erleuchtet, die zwischen den rasch ziehenden Wolken schimmerten. Bald tauchte ein Friedhof mit einer halb verfallenen Kirche auf, dann ein Dorf. Wieder hatten die Reiterin und die Vampire den Weg verlassen, um den Häusern nicht zu nahe zu kommen.
»Luciano! Wir haben keine Lust, dauernd auf dich zu warten!«
Luciano versuchte, noch ein wenig schneller zu laufen, und zu seiner Überraschung bereitete es ihm keine Schwierigkeit. Er begann sogar, ein wenig aufzuholen. Misstrauisch forschte er nach ersten Anzeichen von Erschöpfung, doch stattdessen fühlte er sich seltsam gestärkt. Es war wie ein Rausch und er konnte nur mühsam einen Laut des Entzückens unterdrücken. Nun wandte sich die Spur nach Westen und folgte dem Ufer eines lang gezogenen Sees. Franz Leopold und Alisa hielten inne. Luciano stürmte an ihnen vorbei.
»Was ist? Könnt ihr nicht mehr? Auf mich müsst ihr nicht warten!«
»Halt! Bleib stehen!«, rief Franz Leopold. Luciano bremste und wartete, bis sie ihn eingeholt hatten.
»Was ist los?«
»Merkst du es denn nicht?« Franz Leopold verdrehte die Augen. »Die Spur verliert an Frische.«
»Sie sind schneller als wir«, ergänzte Alisa, als sie Lucianos ungläubigen Blick sah.
»Noch schneller?« »Ja, ich fürchte, erst wenn die Berghänge steiler werden, muss zumindest das Pferd langsamer gehen.«
»Also dann weiter«, forderte Luciano die Freunde auf. »Warten bringt uns nicht ans Ziel!«
Alisa schüttelte den Kopf. »Sieh, der Pfad verläuft im Tal entlang nach Westen. Er folgt diesen schmalen Seen, und wir haben keine Ahnung, wann sie in die Berge abbiegen und es endlich steiler wird.«
»Das ist Pech, aber wir können es nicht ändern. Ihr wollt doch nicht etwa aufgeben und umkehren?« Er starrte sie entsetzt an.
»Natürlich nicht!«, wehrte Franz Leopold ab.
»Wir haben uns nur gefragt, ob ein Wolf in diesem Gelände nicht schneller vorankäme? Zumindest müsste er nicht innehalten, um immer wieder Witterung aufzunehmen.«
»Keine Ahnung.«
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