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Lycana

Lycana

Titel: Lycana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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kunstvolle Decke aus Eichenbalken das Dach stützte. Wo einst der Hausherr Gericht gehalten hatte, standen nun die Särge der jungen Vampire aufgereiht. Die Särge der Burgbewohner befanden sich in den schmalen Kammern der Zwischengeschosse. Die Servienten der Gäste mussten sich im Lagerraum unten einrichten, während Catriona, Donnchadh und die anderen Lycana, die sie auf ihrer Reise begleiteten, im großen Saal im zweiten Geschoss ruhten, dessen riesiger Kamin davon sprach, dass sich das Leben der einstigen Burgherrenfamilie hier abgespielt hatte.
    Bridget, die gerade mit Niamh die letzten Kisten zurechtrückte, zeigte einladend auf die Särge. »Sucht euch einen aus.«
    Tammo saß schon in einer Kiste, die Nase gerümpft. Fernand und Joanne schienen nichts dabei zu finden, in einem eben erst ausgegrabenen Sarg zu ruhen. Auch Malcolm war schon da und die Dracas, die sich - was keinen wunderte - lautstark beschwerten. Alisa lächelte in sich hinein und stieg neben Luciano in einen der Särge, der offensichtlich noch nicht sehr lange im Boden geruht hatte. Das Holz war hell und roch auch nicht so stark nach Moder. Keine der Kisten war ausgepolstert.
    »Wir haben die Stoffe und Kissen auf dem Friedhof zurückgelassen«, sagte Bridget, die Alisas Blick bemerkt hatte, entschuldigend. »Sie waren zu sehr von Leichensäften durchdrungen und verklebt.«
    Alisa wehrte ab. »Das ist nicht weiter schlimm.« Sobald sie einmal in ihre Starre gefallen war, war es gleichgültig, ob sie auf weichen Kissen oder auf dem nackten Holzboden lag.
    Die jungen Vampire stiegen in ihre Kisten und schlossen die  Deckel. Seymour legte sich auf Ivys Sarg. Als Letzte kam Ireen hereingehuscht und kletterte in die einzige noch offene Kiste. Catriona ließ den Blick noch einmal durch den Raum schweifen. Ruhe war eingekehrt. Nur hier und dort drang noch ein leises Raunen durch das Holz. Die Lycana wandte sich ab und stieg die Treppe hinunter, um ihren Sarg aufzusuchen, der wie immer an Donnchadhs rechter Seite stand.
     
    »Du gehst noch einmal hinaus?«, fragte Oscar verwundert, der bei einem Humpen Bier und einer Zigarre in dem kleinen Gastraum der Herberge in Oughterard saß und die endlich wieder trockenen und warmen Füße von sich streckte. Das Landhaus der Wildes in der Nähe von Cong am Nordufer des Lough befand die Lady als zu weit entfernt, um dort ihr Hauptquartier aufzuschlagen, sehr zu Oscars Missfallen, der seinem Freund versicherte, dass sie es dort weitaus bequemer haben würden.
    Bram Stoker rückte den Umhang zurecht und setzte sich den Hut auf. »Ja, ich muss mir noch ein wenig die Beine vertreten. Es ist eine herrliche Nacht.«
    »Wir haben Neumond!«, widersprach Oscar.
    »Ja, aber der Wind hat die Wolken weggeblasen. Es regnet nicht mehr und das Sternenlicht verleiht dem Land etwas Magisches.«
    Oscar ließ den Bierkrug sinken. »Du willst doch nicht etwa jetzt, mitten in der Nacht, auf den Friedhof gehen?«
    Ein Ausdruck von Verlegenheit glitt über das Gesicht des Freundes. »Warum nicht? Ich meine, wenn mich mein Weg dort vorbeiführt, kann ich einen Blick hineinwerfen.«
    »Ha!«, rief Oscar und ließ die Zigarre vorschnellen, als sei sie eine Klinge. »Willst du mich für dumm verkaufen? Wenn dein Weg dich zufällig vorbeiführt! Du wirst deine Schritte auf direktem Wege dorthin lenken. Ich kenne deine Vorliebe für Leichen und Untote. Das ist nicht normal! Lass dir das vom Sohn eines großen Arztes sagen.«
    »Dein Vater war Augen- und Ohrenarzt!«
    »Ja, genau, und der würde dir sagen, was er davon hält, dass du überall Fantasiewesen siehst und hörst, die es nicht gibt.«
    »Du glaubst also nicht, dass es sie gibt?«
    »Ich glaube an vieles, aber Untote? Sagen wir, ich habe berechtigte Zweifel.« Er hob beinahe entschuldigend die Achseln.
    »Dann hast du ja sicher keine Angst, dass ein Vampir mir mein Blut und meine Seele rauben könnte, wenn ich nachts auf einen Friedhof gehe«, sagte Bram, zwischen Bedauern und Belustigung schwankend.
    »Nein, mein Freund, das habe ich nicht. Wenn dir also nicht einer dieser armen, halb verhungerten Bettler einen Stein über den Schädel zieht, um dir die Schuhe oder was auch immer zu stehlen, werden wir uns morgen beim Früstück wiedersehen.«
    »Ich werde auf meine Schuhe achtgeben«, versprach Bram, hob grüßend die Hand und verließ die Herberge. Er hatte sich den Weg bereits bei Tageslicht angesehen, sodass es ihm nun nicht schwerfiel, den Pfad zu finden, der zu dem ein

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