Lycana
Luciano zuckte mit den Schultern. »Und selbst wenn. Was würde uns das nützen?«
»Wir werden uns zu Wölfen wandeln!«, sagte Alisa bestimmt. Luciano spürte, wie sein Hochgefühl verflog. Da war sie wieder, diese Verzweiflung, dass die anderen schneller, schöner, eleganter und einfach besser waren. Er senkte den Kopf.
»Ich kann es nicht«, gestand er leise. »Wollt ihr mich hier alleine zurücklassen?«
»Du hast den Wechsel mit Ivys Hilfe geschafft, warum sollte es nicht mit unserer ebenfalls gelingen?«
»Was?« Er starrte sie aus großen Augen an.
»Franz Leopold muss sich mit meinem Geist verbinden und dann unsere Kräfte mit den deinen vereinen. Du machst einfach alles so wie bei deiner Übung, und wir geben dir die Energie, die dir fehlt.«
»Und ihr meint, das funktioniert? Ich möchte nachher nicht so aussehen wie diese Vampirin gestern.«
»Du musst dich natürlich konzentrieren.«
Franz Leopold hob die Schultern. »Aber wenn dir das Risiko zu groß ist, dann bleib hier und verkriech dich in irgendeinem Erdloch, bis wir zurückkommen.«
Alisa stieß ihm in die Rippen. »Halt den Mund! Natürlich wird Luciano nicht zurückbleiben. Bist du bereit? Können wir beginnen?«
Luciano bemühte sich um eine selbstsichere Miene und nickte. »Aber sicher. Fangt an!«
Luciano konzentrierte sich so stark auf das Bild des Wolfes, der er werden wollte, dass sich sein Gesicht verzerrte und ihm Schweiß aus allen Poren trat. Dann kam der Energieschub. Er war so stark, dass Luciano taumelte. Er fiel auf die Knie. Nebel wallte auf und hüllte seinen sich windenden Körper ein. Als er sich lichtete und der Schmerz in den Gliedern nachließ, sah er die Welt mit den Augen eines Wolfes. Ehrfürchtig betrachtete er seine haarigen Beine mit den Raubtierpfoten. Er öffnete und schloss den kräftigen Kiefer.
»Es war ganz leicht«, sagte Alisa erstaunt.
Franz Leopold stimmte ihr zu. »Und was dabei herausgekommen ist, kann man zwar nicht als kraftvoll und prächtig bezeichnen - sein Fell würde ich eher räudig nennen -, aber es ist unzweifelhaft ein Wolf!«
Luciano drehte sich ein paar Mal um die eigene Achse, in dem Versuch, sich zu betrachten, dann setzte er sich auf die Hinterbeine und sah die beiden erwartungsvoll an.
Alisa blickte Franz Leopold in die Augen. Es fiel ihr zunehmend leichter, sich ihm zu öffnen. Wieder überraschte sie ihre eigene Stärke. Die Nebel kamen sofort, als sie sie rief, und wirbelten so schnell und dicht wie nie. Sie fiel auf vier kräftige Pfoten hinab. Alisa wusste, dass sie jetzt ein prächtiger Wolf war, flink wie der Wind! Neben ihr stand Franz Leopold. Sein Fell war fast schwarz und glänzte seidig. Ihre Gedanken waren noch immer verbunden. Gleichzeitig sprangen sie los und jagten dann mit riesigen Sätzen das Tal entlang.
»Tara?« Der Vampir hatte sich ein wenig zurückfallen lassen und holte nun wieder auf. Die Druidin wandte sich im Sattel um, ohne ihr Tempo zu verringern.
»Was gibt es, Cameron?«, fragte sie den Lycana reinen Blutes, der schon vor vielen Jahren von Dunluce nach Aughnanure gekommen war.
»Wir werden verfolgt!«
Nun hatte er auch Ivys Aufmerksamkeit. »Vampire?«
Cameron nickte. »Zwei oder drei.«
»Weißt du, wer es ist? Es könnten die sein, die uns seit Dunluce folgen. Hat man dir von ihrer Landung in der Grotte erzählt? Einen der ihren haben sie in den Höhlen von Aillwee vernichtet, da er sich nicht aus der Falle befreien konnte und ansonsten in unsere Hände gefallen wäre.«
Cameron und Taber, der ebenfalls seit Langem auf Aughna nure lebte, nickten. »Wir sind über die Vorgänge informiert. Sollen wir zurückbleiben und ihnen auflauern?«
Tara nickte, doch Ivy widersprach. »Wenn sie zu dritt sind, könnte es für euch gefährlich werden. Sie haben bewiesen, dass sie Meister des Gestaltwechsels sind. Wir wissen nicht, welche Kräfte sie noch besitzen.«
Cameron legte die Hand an die Brust. »Unser Auftrag ist es, euch zu beschützen. Gehört es da nicht dazu, sich in Gefahr zu begeben?«
Natürlich hatte Cameron recht, aber Ivy fühlte sich unwohl dabei. Manches Mal wünschte ich, ich wäre nur ein einfaches Mädchen, dessen Schicksal die Welt weder zum Guten noch zum Bösen wandelt.
Seymour trat an ihre Seite und sah aus seinen gelben Augen zu ihr auf. Wirklich? Dann wäre deine Geschichte längst zu Ende und vermutlich würde sich keiner mehr an dich erinnern.
Ivy sah ihn trotzig an. Das ist nicht wahr. Ich wäre dort, wo
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