Lycana
habe.«
»Das habe ich auch nicht bezweifelt.«
»Was bezweifelst du dann?« Schon als er die Worte aussprach, wusste er, dass es falsch war. Er spielte ihnen in die Hände. Warum sollte er sich vor ihnen rechtfertigen? Er war der Führer der Sippe.
»Dass die Stärke noch in dir wohnt, den Entscheidungen, die du in Worte gefasst hast, die entsprechenden Taten folgen zu lassen.« Der junge Werwolf sah ihn mit vorgerecktem Kinn an.
Áthair Faolchu konnte dem Rebell keinen Vorwurf machen. Er selbst hatte ihm den Knüppel in die Hand gegeben und Mac Gaoth hatte die Gelegenheit zuzuschlagen nicht ungenutzt verstreichen lassen. Nun war es an ihm, zu retten, was zu retten war.
»Ich sage dir, wann unsere Zeit gekommen ist. Und nun geh hinein und richte den anderen aus, sie sollen sich bereithalten!«
Für einen Augenblick fürchtete er, Mac Gaoth würde den Befehl verweigern, doch er neigte den Kopf und verschwand in den Tiefen der Höhle. Áthair Faolchu atmete tief durch. Ein Atemzug und noch ein zweiter. Wie viele würden ihm noch in Frieden vergönnt sein?
Alter Narr, es hat längst begonnen. Der Krieg hat sich wie eine finstere Wolke um uns zusammengezogen und verdunkelt die Welt. Dies sind nur die letzten Atemzüge, bevor der Sturm losbricht.
Er dachte über das Bild nach. Nein, es war nicht richtig. Der Krieg kam nicht von außen, um die Werwölfe mit Hass und Vernichtung zu überziehen. Der Sturm braute sich im Innern zusammen.
DIE TWELVE BENS
Ivy blieb stehen und betrachtete den leeren Höhleneingang. »Sie sind weg, nicht wahr?« Sie drehte sich zu Tara um.
Die Druidin nickte. »Ja, ich wusste es, als wir den Dolmen verlassen vorfanden. Sie hatten dort immer einen Wächter postiert.«
»Dann war unser Weg also umsonst? Ich bin von Aillwee bis zu den Twelve Bens geeilt für nichts?«
»Ich dachte, er würde auf uns warten. Ich habe die Verhältnisse falsch eingeschätzt. Sie sind schnell stärker geworden!«
»Vertraust du Áthair Faolchu etwa immer noch?«, fragte Ivy verwundert.
Die Druidin zögerte, dann nickte sie. »Ja, das tue ich, aber ich weiß nicht, wie viel Macht noch in seinen Händen ruht.«
»Dann meinst du, er ist noch da? Die Sippe ist ohne ihn vorausgezogen?«
Tara hob die Schultern. »Ich kann es dir nicht sagen. Ich habe ihm zugesichert, dass wir vor Neumond hier sein werden.«
»Das war um Mitternacht.«
Die Druidin nickte. »Ja, um Mitternacht. Vor mehr als zwei Stunden.«
»Dann lass uns nachsehen. Vielleicht haben wir noch nicht verloren.«
Ivy schritt forsch auf den Höhleneingang zu, Seymour an ihrer Seite. Tara folgte ihr. Die Stute hatte sie unten am Hünengrab zurückgelassen, bevor der Aufstieg zu steil für sie wurde. Ivy legte die Hand in Seymours Nacken. Manchmal war es tröstlich, ihn zu spüren und ihre geistige Verbindung so noch enger zu halten. Sie vertraute darauf, dass seine Instinkte ihre Wachsamkeit noch verstärkten. Ivy war sich der Gefahr bewusst, in die sie sich begab. Die Frist war abgelaufen, und keiner konnte sagen, wie die Werwölfe reagieren würden, deren alter Zorn auf die Vampire neu entfacht worden war. Aus Ivys Sicht waren es zwar die Werwölfe, die den Pakt gebrochen hatten, doch mit diesem Argument würden sie sich kaum besänftigen lassen.
Ivy rief eine Fledermaus, um ihre Umgebung besser erkennen zu können. Das gesamte Höhlensystem roch streng nach Raubtier. Es war, als wären die Gefühle von Generationen in den Stein gesickert. Die feine Note von Freude und Zuneigung wurde überlagert von den schärferen Gerüchen des Hasses und des Zorns.
Das hätte nicht passieren dürfen. Nicht solange wir auf dieser Welt existieren. Dafür wurde der Pakt geschlossen.
Eine Welle von Wut schwappte in Ivy hoch und wirbelte durch ihre Seele. Es war ihre Entscheidung gewesen, ja, und sie stand noch immer zu dem Opfer. Doch nun musste sie sich fragen, wozu sie es gebracht hatte. Es war alles umsonst gewesen.
Du hast es nie als Opfer empfunden. Es war deine freie Entscheidung und die meine. Niemand hat uns gedrängt. Erinnere dich!
Ivy war außerstande, die Erinnerung heraufzubeschwören. Sie fühlte sich leer und ausgelaugt, während ihr Blick unverwandt auf dem Steinpodest ruhte, auf dem noch vor wenigen Stunden der cloch adhair gelegen hatte. Sie konnte ihn sogar jetzt noch spüren, obwohl seine Strahlen wie die der verblassenden Sonne am Abend rasch erloschen.
»Sie haben die Twelve Bens tatsächlich verlassen«, sagte Ivy tonlos wie
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