Lycana
undeutlich. »Du hast dich verspätet, Tara. Áthair Faolchu war nicht erfreut darüber. Er dachte, er könne den Felsbrocken aufhalten, ehe er den steilen Hang erreicht und - immer schneller und schneller werdend - talabwärts alles mit sich reißt, was ihm im Weg steht.« Er öffnete den Mund zu einer Art Grinsen und entblößte seine wenigen Zahnstumpen.
»Ja, das Schicksal war gegen uns«, gab die Druidin zu.
»Das Schicksal!« Der Alte spuckte auf den Boden. »Es ist immer leicht, das Schicksal verantwortlich zu machen. Wie bequem lässt es sich dann jammern, während man sich zurücklehnt und tatenlos die Hände in den Schoß legt.«
»Wir haben nicht vor, die Hände in den Schoß zu legen!«, gab Ivy zurück. »Es wurde ein Pakt zwischen Werwölfen, Druiden und Vampiren geschlossen, und es wird Zeit, dass wir die Werwölfe daran erinnern, dass auch sie sich daran halten müssen!«
Der Alte ließ wieder sein zahnloses Grinsen sehen. »Ah, wir kommen zum Kern der Sache. Die Werwölfe sagen, es waren die Vampire, die den Eid gebrochen haben.« Er kniff die Augen zusammen und ließ den Blick von Ivy zu Seymour wandern. »Nicht erst heute und mit Peregrines Tod, sondern von Anfang an!«
»Dann hätten sie den großen Rat einberufen müssen, bei dem man die Missverständnisse bespricht und aus der Welt schafft«, entgegnete die Druidin ruhig. »Den cloch adhair wegzubringen, um ihn vor uns zu verbergen, ist ein schlechter Weg. Der Tag der Übergabe naht!«
»Ja, die Jungen sind ungestüm und denken nicht recht nach«, stimmte ihr der Alte zu. »Aber so waren die Welpen zu allen Zeiten. Sie haben sich Streiche erlaubt, bekamen ihre Lektion und sind daran gereift.«
»Dies ist kein Streich junger Werwölfe!«, rief Ivy. »Sie bringen den cloch adhair wer weiß wohin. Sie könnten überallhin gehen, und vielleicht dauert es Jahrzehnte oder Jahrhunderte, bis man ihn wieder aufspürt!«
»Überallhin mit dem cloch adhair? Nein! Kind, was redest du für einen Unsinn. Kühle deinen Zorn, der deine Gedanken vernebelt. Und spurlos? Nein, ganz sicher nicht!«
Ivy atmete tief. Wie hatte sie nur so blind sein können? Sie mussten sich sofort aufmachen, den Spuren der Werwölfe zu folgen. Jede Minute, die sie hier verloren, vergrößerte den Abstand.
»Wir müssen los!«, drängte sie und verbeugte sich flüchtig in Richtung des alten Werwolfes. »Wir danken dir. Tara, komm schnell, vielleicht können wir sie noch einholen!«
Die Druidin sah zögernd von Ivy zu dem Werwolf, dann folgte sie ihr durch die Gänge zurück zum Höhleneingang.
»Ein scharfer Gedanke bringt einen meist schneller ans Ziel als flinke Pfoten!«, rief der Alte ihnen nach, doch Ivy hörte nicht mehr auf ihn. Ihr Geist war schon auf der Fährte der Werwolfsippe, die dort draußen in der Nacht unterwegs war, um den Stein, in dem die Seele des Landes wohnte, in ein neues Versteck zu bringen.
Ihr Rückweg dauerte länger als der Hinweg. Nicht nur dass sie keinen Grund mehr sahen, sich zu beeilen. Franz Leopold und Cameron machten ihre Wunden zu schaffen, auch wenn beide sich bemühten, es sich nicht anmerken zu lassen. Und Luciano wirkte seltsam ausgelaugt, obwohl seine Wunde bereits aufgehört hatte zu bluten. Sein Blick irrte leer über das weite Land. Vielleicht hatte die so gründlich schiefgegangene Rückverwandlung ihn all seiner Kräfte beraubt. Alisa trottete mit gesenktem Kopf hinter den Freunden her und wurde von Taber mehrmals ermahnt, sich ein wenig zu beeilen. Körperlich fehlte ihr nichts, aber war das ein Grund, guter Stimmung zu sein, wenn sie doch so kläglich gescheitert waren? Dass man sie entdeckt hatte, nun gut, damit hatten sie rechnen müssen. Und dass es aufgrund eines Missverständnisses zu einem Kampf kommen konnte, war ebenfalls nichts, was sie schreckte. Was allerdings tief in ihr nagte, war Seymours seltsames Verhalten und dass Ivy sich nicht für sie eingesetzt hatte. Wie konnte sie die Freunde zurückschicken, nachdem sie diesen langen Weg auf sich genommen hatten, um ihr und der Druidin beizustehen? Seymour hatte ihre Freundschaft verraten und Ivy ebenso.
»Alisa, trödle nicht so! Wir wollen Aughnanure noch vor Sonnenaufgang erreichen!«
Sie warf Taber einen missmutigen Blick zu, beschleunigte aber ihre Schritte. Bald tauchte vor ihnen das Dorf auf und zu ihrer Rechten der seltsam kahle Berghang, der Alisa schon auf dem Hinweg aufgefallen war. Überall sonst waren die Hänge von Heidekraut, Gebüsch und in
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