Lycana
der eifersüchtige Liebhaber unserer unreinen Ivy, die seine Wut wohl verdient hat, wenn man bedenkt, was sie von Treue hält! Nein, unsere Ivy liebt es, ihren Spaß mit denen zu treiben, die sie mit ihrem falschen Charme betören konnte.«
»Das ist nicht wahr!«, rief Ivy verzweifelt.
»Nein?« Für einen Herzschlag wandte sich Franz Leopold ihr zu. Es lag so viel Kälte in dem Blick, dass Alisa schauderte. »Ist es nicht wahr, dass er dich eben hier an diesem Ort aus meinen Armen gerissen hat?«
»Es ist nicht, wie du denkst!«
Die kurze Unaufmerksamkeit kostete Franz Leopold fast den Besitz seines Schwertes. Seymour sprang vor und schlug zu, doch der Dracas schaffte es zu parieren, wich zurück und suchte sein Gleichgewicht wiederzufinden.
»Natürlich ist es nicht so!«, rief Alisa empört. »Bist du denn völlig blind? Das springt doch jedem sofort ins Auge. Seymour muss Ivys Bruder sein, nicht wahr?«
Franz Leopold hatte sich gefangen und trieb nun seinerseits Seymour zurück. »Ihr Bruder? Unmöglich.«
Ivy trat vor. »Doch, so ist es. Und nun hört auf zu kämpfen. Bitte, es gibt keinen Grund dafür.«
Seymour, der sich anscheinend bisher zurückgehalten hatte, schnellte mit einer Folge von so kräftigen Hieben nach vorn, dass Franz Leopolds Schwert im hohen Bogen davonflog. Ivy sprang zur Seite und fing es auf.
»So, und nun ist mit allen Feindseligkeiten Schluss. Ich gebe zu, es war vielleicht ein Fehler, es bis jetzt geheim zu halten, doch wir glaubten, das sei das Beste. Nun ist die Zeit der Täuschung vorbei, und ich sage euch alles, was ihr wissen wollt.«
»Ihr Bruder Seymour!«, ächzte Luciano fassungslos.
»Ja, natürlich. Du wusstest doch inzwischen, dass er kein normaler Wolf ist. Deine scharfe Beobachtungsgabe hat sich wohl auf Ivy beschränkt«, meinte Alisa.
Luciano hob die Schultern und grinste matt. »Ja, sicher, für mich war er ja lange Zeit nur ein Wolf.«
Alisa verdrehte die Augen, doch dann fiel ihr Blick auf Seymours linken Arm: »Da, seht nur, er … trägt den dritten Armreif des cloch adhair! Dann ist er der Werwolf, den die Sippe ausgewählt hat?«
»Ja und nein«, sagte Ivy. »Ich bin bereit, euch die Geschichte zu erzählen, wenn sich Leo dazu entschließen könnte, seine Feindseligkeit abzulegen.«
»Ich bin feindselig?«, rief er aufgebracht. »Ich kann mich nicht erinnern, feindselig gehandelt zu haben, als er mich das erste Mal angriff!« Anklagend deutete er auf Seymour.
»Du hattest kein Recht, meine Schwester zu berühren!«
»Das geht dich nichts an«, gab der Dracas zurück.
»Doch, denn dein jetziges Verhalten gibt mir recht. Du verachtest sie, weil sie früher einmal ein Mensch war - wie ich auch. Ich kannte deine Einstellung, und ich bin nicht bereit hinzunehmen, dass irgendjemand Ivys Seele Schmerz zufügt.«
»Ihrer Seele«, spottete Franz Leopold. »Die hat sie verloren, als sie zum Vampir wurde.«
»Vielleicht«, räumte der Werwolf ein. »Das mag ich nicht beurteilen. Aber wie wir alle hat sie Gefühle, und ich lasse nicht zu, dass so ein Bürschchen wie du auf ihnen herumtrampelt!«
»Das wird nicht mehr geschehen«, sagte Franz Leopold steif. »Eine Unreine ist es nicht wert, von mir beachtet zu werden.« Und damit verließ er hocherhobenen Hauptes den Friedhof.
»Du verdammter Idiot!«, schrie ihm Luciano hinterher. »Du bist es nicht wert, sie auch nur anzusehen, so weit steht sie über dir, egal welches Blut in ihren Adern fließt!«
Seymour trat zu ihr und legte ihr den Arm um die Schulter. »Schwesterlein, ich muss schon sagen, du hast eine denkbar schlechte Wahl getroffen, um dein Herz zu verlieren.«
»Wenn ich überhaupt noch ein Herz habe«, murmelte sie und legte sich die Hand auf die Brust. Sie schien in sich hineinzulauschen. »So wie es schmerzt, könnte allerdings durchaus so etwas Ähnliches wie ein Herz in mir sein.«
»Wie alt bist du eigentlich?«, fragte Alisa, um Ivy abzulenken. »Darf ich raten?«
»Bitte.«
»Ich würde sagen, mindestens einhundert Jahre.«
Ivy lächelte schwach. »Wie kommst du darauf?«
Sie setzten sich auf die moosbedecken Grabsteine. Seymour blieb an der Seite seiner Schwester. Er war wesentlich größer als sie und sie lehnte sich gegen seinen Arm.
»Ich vermute einfach, dass du den Armreif von Anfang an trägst. Und da die neunundneunzig Jahre seit der Friedensverhandlung nun fast verstrichen sind …«
Ivy nickte. »Das ist richtig. Seymour, Tara und ich tragen die Reifen seit fast
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