Lycana
schien. Vielleicht machte ihn sein Zorn blind für die Gefahr.
»Leo wird ihm nichts tun«, sagte Ivy, aber ihre Stimme zitterte ein wenig.
»Oh nein, das wird er nicht«, pflichtete ihr Alisa bei. »Denn ich werde es nicht zulassen!«
Sie blickte sich hektisch um. Es irritierte sie, dass Seymour nicht mit ihnen gekommen war. Schmollte er noch immer, weil Ivy ihn eingesperrt und zurückgelassen hatte? Verweigerte er ihr gerade jetzt seinen Schutz? Das war nicht gut, im Moment aber auch nicht zu ändern.
Den Griff des Degens fest umklammert, stürmte Alisa auf die beiden Kampfhähne zu und stellte sich neben Luciano. »Leo, lass diesen Unsinn!«, schimpfte sie. »Willst du es noch schlimmer machen? Statt dein Unrecht einzusehen und um Verzeihung zu bitten!«
»Ich soll im Unrecht sein?« Franz Leopold lachte kalt. »Alisa, mach dich nicht lächerlich. Dieser Nosferas hat mich und meine Familie tödlich beleidigt, und dafür muss er sich verantworten!«
»Er hat Ivy nur verteidigt. Es ist an dir, dich für die Beleidigungen, die du ihr zugefügt hast, zu entschuldigen!«, forderte Alisa.
»Man kann eine Unreine nicht beleidigen, denn sie besitzt keine Ehre und Würde. Sie ist eine Sklavin, die von einem reinen Vampir nur zu dem Zweck geschaffen wurde, ihm zu gehorchen und zu dienen.«
»Nimm das zurück!«, schrie Luciano. »Ivy ist mehr wert als deine gesamte dekadente Familie!«
Trotz der auf ihn gerichteten Degenspitze wollte er sich auf Franz Leopold stürzen, doch Alisa drängte ihn zur Seite und herrschte ihn an, sich nicht von dem Dracas zu einer Dummheit treiben zu lassen. Nun stand sie Leo Auge in Auge gegenüber. Die Spitzen ihrer Degen berührten sich fast.
»Du willst dich mit mir schlagen?«, fragte Franz Leopold ungläubig. »Bist du todessüchtig oder geht deine Selbstüberschätzung mit dir durch? Du hast mich gestern Nacht wohl nicht fechten sehen!«
Alisa hob trotzig das Kinn. »Oh ja, ich habe dich kämpfen gesehen, und ich weiß, dass ich diese Kunst nicht beherrsche, dennoch werde ich es nicht hinnehmen, dass du Luciano weiter bedrohst. Und wenn die einzige Möglichkeit, dich aufzuhalten, die Gefahr mit sich bringt, von deinem Degen aufgespießt zu werden, dann muss ich mich ihr eben stellen.«
»Warum nur?«
»Luciano und Ivy sind meine Freunde und für sie stehe ich ein!«
»Das hat nichts mehr mit Mut zu tun, das ist schon verrückt!« Schwang da widerwillige Bewunderung mit?
»Es ist mutig, edel und verrückt!«, erklang eine raue Stimme, die Alisa noch nie gehört hatte. Luciano wirkte genauso verwirrt. Auf Franz Leopolds Gesicht dagegen breitete sich Erkennen und dann blinde Wut aus.
»Du wagst es!«, schrie er und richtete den Degen auf die helle Gestalt, die sich so schnell näherte, dass Alisa sie erst erkennen konnte, als sie einige Schritte vor Franz Leopold innehielt und ihn mit nicht weniger Abscheu musterte.
Ivy stöhnte und barg das Gesicht in den Händen. »Oh bitte, das dürft ihr nicht tun!« Alisa hatte die Freundin kaum je so hilflos erlebt. Sie wandte den Blick von Ivy zu dem großen Fremden mit dem bis auf die Schultern herabhängenden Silberhaar. Tonlos öffnete und schloss sie den Mund.
»Ah, so treffen wir uns wieder. Wie ich sehe, hast du Schwerter mitgebracht. Natürlich ist das die Waffe deiner Wahl. Wie könnte ich von so etwas wie dir erwarten, einem eleganten Degengefecht gewachsen zu sein.« Franz Leopold schnaubte verächtlich und legte den Degen zu Boden. Fordernd streckte er die Hand aus. »Mir ist es gleich. Lass uns beginnen, wenn du unbedingt ihre Ehre verteidigen willst, die es doch gar nicht gibt.«
Der Fremde warf Franz Leopold eines der Schwerter zu, das dieser geschickt auffing. Und schon gingen die beiden aufeinander los. Sie umkreisten sich, ohne den Gegner aus den Augen zu lassen.
»Nein! Bitte, hört auf!«, flehte Ivy mit einem Schluchzen in der Stimme.
Luciano starrte die beiden verblüfft an. »Kann mir mal jemand erklären, was hier los ist? Wer ist der Kerl? Wo kommt er plötzlich her und was hat er mit Ivy zu schaffen?«
Die beiden Kämpfenden kreuzten die Klingen, dass das Klirren über den nächtlichen Friedhof hallte, und zogen sich dann wieder ein Stück zurück, um sich ein weiteres Mal abschätzend zu umkreisen.
»Ach, du kennst den Herrn nicht?«, rief Franz Leopold. »Wobei Herr wohl eine Bezeichnung ist, wie sie unpassender nicht sein könnte. Mit Bestie treffe ich es sicher besser. Darf ich vorstellen: Seymour,
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