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Lycana

Lycana

Titel: Lycana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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erst, wohin ihr Unterbewusstsein sie geführt hatte, als die Hütte bereits vor ihr auftauchte. Woher es wohl rührte, dass sie sich ihrer menschlichen Existenz noch so verbunden fühlte? Die Vampirin näherte sich im Schutz der Büsche und Bäume dem Fenster, um zu hören, was bei dem heimlichen Treffen heute Nacht besprochen wurde. Es waren mehr Männer da als beim letzten Mal. Áine witterte die Hunde, die im Nebenraum eingesperrt waren, achtete aber nicht auf sie, da gerade ein Name fiel, der sie auf horchen ließ. Es war die Frau Karen, die sprach, und in ihrer Stimme klang der Überschwang von Begeisterung.
    »Auf meiner Reise nach Dublin habe ich mit ihr gesprochen und sie hat ihre Unterstützung für unsere Sache zugesagt. Jane Elgee wird hierherkommen und mit uns sprechen!«
    »Wer ist Jane Elgee?«, fragte der junge Cowan verständnislos, während seine Schwester einen Laut der Überraschung ausstieß.
    »Sie ist eine Dichterin«, sagte Myles. »Elgee hieß sie vor ihrer Heirat mit dem Arzt William Wilde.«
    »Eine große Dichterin!«, betonte Karen, die ihm ins Wort fiel. »Unter dem Decknamen ›Speranza‹ hat sie mit der britischen Regierung abgerechnet! Scharf wie unsere Bluthunde, sage ich euch. Als der Herausgeber der Zeitung Nation verhaftet wurde, übernahm sie das Blatt und brachte es - bis es 1848 verboten wurde - auf zweihundertfünfzigtausend Leser! Ein paar Jahre später heiratete sie Wilde, dem sie zwei Söhne geboren hat.«
    Nellies Augen glühten vor Begeisterung. Das Mädchen träumte davon, selbst eine wichtige Rolle im Kampf gegen das Joch zu spielen, das das englische Königreich Irland auferlegt hatte. In ihren Gedanken beging sie bereits die kühnsten Heldentaten und sie litt tapfer für ihr Vaterland, mit unerschütterlicher Treue. Ein seltsames Gefühl stieg in Áine auf. War das etwa Mitgefühl?
    Im Gegensatz zu Nellie konnte der angekündigte Besuch der Dichterin ihren Bruder nicht beeindrucken. »Ich verstehe nicht, was uns das bringen soll. Sie ist inzwischen eine alte Frau. Wir brauchen junge, kräftige Männer und Waffen!«
    Seine Schwester sah ihn kopfschüttelnd an. »Du meinst also, diesen Kampf kann man alleine mit Muskeln gewinnen? Wozu ein Hirn, wenn man doch eine Waffe schwingen kann!«
    »Mit dem Mundwerk einer Frau gewinnt man ihn jedenfalls nicht«, konterte Cowan.
    »Das hat auch keiner gesagt. Doch wenn du dich mit den vielen fehlgeschlagenen Aufständen der Vergangenheit beschäftigt hättest, dann wüsstest du, dass es nicht nur an der Zahl der Männer und ihrer Waffen lag. Sie brauchen einen Anführer, der ihnen Mut gibt, wenn sie verzagen. Einen, der sie wortgewaltig in Begeisterung versetzen kann. Sie müssen ihm vertrauen und an ihn glauben, sodass keiner den Plan verrät. Denn das war weit häufiger der Grund des Scheiterns, als dass wir Iren besiegt worden wären.«
    »Miss Neunmalklug, ich weiß. Aber wie du schon selbst sagst, wir brauchen einen Anführer, keine alte Dichterin!«
    »Nun gebt aber endlich Ruhe, ihr beiden!«, herrschte Myles seine Kinder an. »Karen möchte noch etwas sagen.«
    Die beiden klappten den Mund zu, wandten sich voneinander ab und schwiegen beleidigt, als Karen wieder das Wort ergriff.
    »Mir ist bewusst, dass die Rebellen nach einem Mann als ihren Anführer suchen, daher freue ich mich, euch sagen zu können, dass Jane vermutlich nicht alleine reisen wird. Ihr Sohn Oscar wird sie begleiten. Oscar hat das Erbe seiner Mutter angenommen und zeigt schon jetzt, dass er mit Worten umzugehen weiß. Wenn wir ihn auf unserer Seite haben, könnte das die entscheidende Unterstützung sein, derer wir bedürfen, wenn wir losschlagen. Unsere Landsleute in Dublin müssen wissen, was los ist, damit sie sich im rechten Moment erheben und uns den Rücken freihalten. Die Presse muss unser Sprachrohr werden!«
    So redete sie noch eine Weile voll Begeisterung, und die Männer hörten ihr zu, manche mehr, andere weniger überzeugt. Die beiden jüngsten Teilnehmer dagegen schmollten noch immer ein wenig und taten so, als ginge sie die ganze Sache nichts an. Während Cowan sich Brot und Käse widmete, trat Nellie an die halbhohe Tür zu dem zweiten kleinen Raum, hinter der die Hunde kläglich winselten. Sie sprach beruhigend auf die Tiere ein.
    »Was ist nur mit euch los? Was führt ihr euch so auf? Nun seid endlich still. Es dauert noch eine Weile, bis ihr hinausdürft.«
    Doch die Hunde wollten sich nicht beruhigen lassen. Áine sah, wie sich der

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