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Lycana

Lycana

Titel: Lycana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Wenn sie schon gehen mussten, dann würden sie sich wenigstens zum Schluss ein wildes Wettrennen liefern. Mit einigen Sprüngen Vorsprung flog Áine dem Talgrund zu. Es gelang ihr, den Abstand noch ein  wenig auszubauen, doch dann rückte Peregrine Stück für Stück näher. Hatte er sie nur geschont? Der Zorn gab Áine Kraft, noch schneller zu laufen, doch als sie den Rand des Minengeländes von Glengowla erreichten, hatte er sie dennoch eingeholt und sprang ihr mit einem riesigen Satz in den Nacken. Die beiden Wölfe kugelten übereinander, schnappten nach der Flanke des anderen und blieben dann erschöpft und hechelnd nebeneinander liegen. Als sie wieder zu Atem gekommen waren, erhob sie sich, tat ein paar Schritte zurück, setzte sich auf die Hinterbeine und verschwand in einer Nebelwolke. Als sie aus den wirbelnden Schwaden in ihrer menschlichen Gestalt hervortrat, hatte sich Peregrine ebenfalls verwandelt. Er umarmte sie und sie küssten sich zum Abschied.
    »Werde ich dich morgen wiedersehen?«, fragte er wie immer, und wie jedes Mal schenkte Áine ihm ihr trauriges Lächeln. »Aber ja, mein Geliebter, wenn Mond und Sterne und die Geister der Nacht uns gnädig sind.« Dann wandte sie sich ab und schritt langsam davon. Peregrine rührte sich nicht vom Fleck, bis sie zwischen den Büschen verschwunden war. Dann erst wandelte er sich zurück in seine Wolfsgestalt und lief ins Moor, hinter dem sich irgendwo im aufsteigenden Morgennebel die Spitzen der Twelve Bens erhoben.
     Vielleicht war es der Rausch der Liebe, der ihre Sinne betäubte, dass sie den nächtlichen Lauscher nicht bemerkt hatten. Der rührte sich nicht vom Fleck, selbst jetzt, da Áine und Peregrine bereits in unterschiedliche Richtungen verschwunden waren. Doch seine Miene wandelte sich rascher als der Nachthimmel unter dem Sturmwind. Erstaunen, Entsetzen, Abscheu und dann ein verschlagenes Lächeln, das einer höchst zufriedenen Miene Platz machte.
    »Widerwärtig«, murmelte er und machte sich tief in Gedanken versunken auf den Heimweg.
     
    Der Wanderfalke flog durch die Nacht. Als der Morgen graute, tauchten bereits die Bergketten von Connemara aus dem Dunst auf. Der Greif ließ sich tiefer sinken. Wo sollte er seine Suche beginnen? Wer konnte schon sagen, wo sich die Druidin gerade auf hielt. Die Burg Aughnanure, die von einer Handvoll Lycana bewohnt wurde, wäre ein Anfang. Vielleicht wussten die Vampire, wo die Druidin zu finden war. Die Greifendame glitt über einen kahlen Bergrücken und dann durch ein kleines Wäldchen, das mit seinen paar Baumgruppen kaum mehr diese Bezeichnung verdiente. Da ging die Sonne auf und blendete die Falkendame für einen Moment. Ein Augenblick nur, doch lange genug, dass sie das Netz übersah, das zwischen zwei Bäumen aufgespannt war. Erst als sich ihre Flügel in den dünnen Schnüren verfingen, erkannte sie die Falle. Doch da war es bereits zu spät. Als hilfloses Knäuel hing sie in der Luft, bis ihr Häscher kam, sie zu holen. Aughnanure würde sie nicht mehr erreichen und auch ihre Nachricht nicht überbringen können.
     

BLUTHUNDE
    Normalerweise kehrte Áine - wenn sie die Nacht zusammen verbracht und gemeinsam gejagt hatten - geradewegs nach Aughnanure zurück, doch heute spürte sie, dass ihre Blutgier noch zu stark in ihr brannte. Ja, sie hatte auch dieses Mal die Beute mit ihm geteilt, doch selbst in Wolfsgestalt war Fleisch für sie kein Genuss. Sie hatte zwar das Blut geleckt, das aus der aufgerissenen Kehle floss, aber es war nur Tierblut gewesen, das die Gier ein wenig dämpfte und sie weiterexistieren ließ, nicht jedoch die Lust entfachte, die nur menschliches Blut schenken konnte. Diese Ekstase war mächtiger als selbst die Vereinigung der Liebe. Vielleicht wusste er es, auch wenn sie ihm das nie gesagt hatte. Sosehr sie seine Gegenwart genoss, die gemeinsamen Nächte im Moor und die Jagd, so war nun ihr einziger Gedanke, an das frische Blut eines Menschen zu gelangen. Und die Menschen, die sie sogar bis hierher wahrnehmen konnte, waren die Minenarbeiter, die erschöpft von ihrem Tagewerk in dem Haus hinter der Lichtung schliefen.
    Áine überlegte nicht lange. Ihr Geist tastete nach Peregrine. Er war auf dem Weg durch das Moor. Zu weit weg, als dass er ihre Gedanken noch empfangen könnte. Gut. Mit ein paar Sprüngen war die Vampirin auf der Lichtung. Sie huschte an der verwaisten Pferdewinde vorbei. Sie ahnte die Wärme der beiden Tiere in ihrem Stall, die bei Tag unermüdlich

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