Lycana
»Aber nein, natürlich nicht«, sagte Ivy für alle.
Catriona schnaubte. »Murrough, du wirst das Schiff in der Felsenbucht verstecken und mit Tierney und Beagán nachkommen.«
Der Seemann nickte. »Werden wir erwartet?«
Eine kleine Fledermaus schwirrte um den Hauptmast. Catriona streckte die Hand aus. Das Tier flatterte zu ihr, umkreiste sie einmal und ließ sich dann auf ihrer Hand nieder.
»Oh ja, wir werden erwartet.« Sie schien dem Tier etwas in die großen, aufgestellten Ohren zu flüstern, dann hob sie den Arm und die Fledermaus flog wieder auf die Burg zu.
Wie Catriona vorausgesagt hatte, wurden sie im Burghof empfangen. Eine uralte Vampirin, die sicher zu den Altehrwürdigen gehörte, und zwei junge Vampire, die vielleicht ihre Servienten waren, kamen ihnen entgegen. Während die Alte nur den Kopf neigte, verbeugten sich die jungen Männer tief vor Donnchadh, an dessen Seite wie üblich Catriona stand.
»Möge euch eure Einkehr auf Dunguaire Castle eine gute Nacht bescheren«, schnarrte die Alte. »Kommt herein. Wir haben Blut für die Erben besorgt, wie du es verlangt hast.«
Alisa sah aus den Augenwinkeln, wie Luciano strahlte, und auch sie fühlte Erleichterung, den bereits wieder brennenden Blutdurst stillen zu können. Ivy sah man wie üblich nicht an, ob sie diese Qualen überhaupt kannte. Seymour dagegen wirkte heute Nacht ein wenig struppig und gähnte schon wieder herzhaft.
Nun senkte Donnchadh das Haupt. »Wir danken dir, Ulicia, dass du uns deine Gastfreundschaft gewährst.«
»Schon gut, schon gut, auch ich bin eine Lycana und weiß, was man dem Clan schuldig ist. Ich hoffe nur, ihr habt nicht vor, euch lange hier einzunisten. Ich brauche meine Ruhe! Ich bin nicht von Dunluce weggegangen, um nun ein Dutzend übermütiger Erben um mich zu haben.« Sie verstummte. Ihr Blick war über die Besucher geschweift, doch dann verharrte er plötzlich. Ihre Augen weiteten sich. Alisa wandte sich um, weil sie herausfinden wollte, wen sie so anstarrte. Es war Malcolm mit seinem jüngeren Vetter Raymond und den Cousinen Ireen und Rowena.
»Das sind doch nicht etwa Vyrad? Hast du mir verfluchte Engländer auf die Burg geschleppt?« Sie spuckte auf den Boden.
»Ulicia, mäßige dich«, sagte Donnchadh zwar noch immer leise, aber mit schneidender Stimme. »Auch die Vyrad haben den Pakt unterzeichnet, und so ist es nicht an uns, sie von dem Jahr in unserer Obhut auszuschließen.«
»Ach, und dann willst du Ivy und Mervyn wohl auch nach London zu Lord Milton schicken?«
»Ja, wenn das Los bestimmt, dass die Akademie für ein Jahr im Haus der Vyrad stattfindet, dann werden Mervyn, Ivy und Seymour ebenfalls dorthin reisen.«
»Seymour«, sagte die Altehrwürdige mit fast so viel Abscheu in der Stimme wie zuvor. »Wie ich sehe, weicht er noch immer nicht von Ivys Seite. Und Tierney hat sein Biest auch mitgebracht.« Sie sah zu dem Schiffsführer der Réalta hinüber, dessen Wolf aufrecht neben ihm saß und die Alte mit starrem Blick musterte.
»Ich wünsche keines dieser Biester in meiner Halle.«
»Ich werde Seymour nicht zurücklassen«, protestierte Ivy und funkelte Ulicia kampflustig an.
Diese funkelte zurück, doch plötzlich zerfurchten unzählige Falten ihr Gesicht, und sie zeigte ein lückenhaftes Gebiss. Ein schnarrendes Geräusch entwich ihrem Mund, und Alisa merkte erst nach einigen Augenblicken, dass sie lachte.
»Du hast einen starken Willen und die Macht des Geistes, wie alle in deiner so ungewöhnlichen Familie. Man könnte das natürlich auch schlicht als einen eisenharten Dickschädel bezeichnen, den du wohl einzusetzen weißt. Also gut, bevor du hier aus Protest im Hof zurückbleibst, nimm das Biest mit hinein.«
Ivy neigte den Kopf und sagte steif: »Ich danke dir, Ulicia. Das ist eine kluge Entscheidung.«
»Ob meine Entscheidungen klug sind oder nicht, wird die Zeit zeigen«, murmelte die Altehrwürdige. »Nun gut, wir sind lange genug hier herumgestanden. Kommt endlich herein.« Barsch fügte Ulicia hinzu: »Clotworthy, schließ das Tor und steig dann auf den Turm. Sag mir Bescheid, wenn sich draußen etwas Ungewöhnliches tut. Und du, Tadleigh, komm mit in die Halle und versorge unsere Gäste. Ich werde mich in mein Gemach zurückziehen.«
Der Saal war hoch und weiträumig. Der ebene Boden und die noch hellen Deckenbalken sprachen davon, dass dies nicht die ursprüngliche Halle der Burg sein konnte, die im 16. Jahrhundert auf den Resten einer alten Festungsanlage errichtet
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