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Lycana

Lycana

Titel: Lycana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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»So etwas habe ich noch nie erlebt. Sie waren vorhin auf der Höhe dieser Insel, und sieh, wie sich unser Schiff noch immer neigt und abmühen muss, um nicht nach Osten abzudriften.«
    »Wo sind wir da hineingeraten?« Columban zog die Schultern hoch, als würde er frieren. »Was sind sie? Dämonen, die über den Wind gebieten können?«
    »Wenn so etwas möglich wäre. Heilige Jungfrau, beschütze unsere Seelen«, stieß der Kapitän hervor.
    Sie verstummten, als der hagere Fremde wieder zu ihnen trat. »Was ist nun? Ich kann sie kaum mehr am Horizont erkennen. Sie entwischen uns!«
    Liam kämpfte darum, in die stechenden Augen zu sehen. Sie flackerten in tiefem Rot.
    »Ja, wir werden sie verlieren, doch es ist nicht unsere Schuld. Es scheint fast, als wäre der Wind auf ihrer Seite.« Er nickte in die Ferne, wo im Süden die Segel mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen waren.
    Liam erwartete, dass der Fremde zornig werden würde, doch er nickte nur ernst, fast anerkennend.
    »Ich habe davon gehört. Nun gut, dann halte weiter Kurs. Wir werden sie schon wieder aufspüren.«
    Und zu ihrer aller Erleichterung zog er sich zu den anderen vier Mitreisenden zurück.
     

DUNGUAIRE CASTLE
    Der Schmerz traf sie so unerwartet, dass sie aufstöhnte. Für einen Moment dachte sie, sie sei verletzt, ehe sie begriff, dass es seine  Qual war, die ihre Gedanken erreichte. Áine griff sich mit beiden Händen an die Brust. Ihr Herz drohte zu zerspringen. Sie wankte und fiel auf die Knie. Er rief nach ihr. Sie konnte seine Stimme in sich hören, obwohl er weit weg war. Ihre Verbindung war so eng, doch nun drohte sie für immer zu zerreißen. Verzweifelt suchte Áine nach einem Ausweg, auch wenn ihr Verstand längst begriff, dass es keinen gab. Trotz des Schmerzes kämpfte sie sich auf die Beine, lief auf das Tor zu und stieß es auf. Und wenn sie um die halbe Welt laufen müsste, sie würde ihn suchen und finden und ihm beistehen. Der heller werdende Himmel kümmerte sie nicht.
    Die Pein ließ so plötzlich nach, wie sie gekommen war. Für einen Augenblick war Áine erleichtert, doch dann umklammerte Verzweiflung ihr Herz, als sie begriff. Sie lauschte in sich hinein. Nichts. Nur finstere Leere. Die Vampirin rannte los.
    »Áine? Bleib stehen! Wo willst du hin?«
    Sie sah das Bild einer alten Frau mit zwei Wölfen an ihrer Seite vorbeihuschen, doch es kümmerte sie nicht. Ihre Kraft und ihre Gedanken waren nur darauf gerichtet, Peregrine zu erreichen.
    »Geal, Ciallmhar, haltet sie auf«, sagte die Druidin, griff ihren Stab fester und eilte der Vampirin nach. Zu Fuß hatte sie keine Chance, einen Vampir einzuholen, doch ein wenig konnte ihre Magie helfen, Áine zu bremsen - und das Tageslicht, das gleißend hell über den Horizont floss. Bei den ersten Scheunen des Dorfes holte Tara sie ein. Die beiden Wölfe hatten sich in ihr Gewand verbissen, und sie versuchte mit fahrigen Bewegungen, sich loszumachen.
    »Weg, ihr Biester«, schrie sie. Die Druidin hatte noch keinen Vampir erlebt, der so die Fassung verlor. Sie murmelte ein paar Worte in der alten Sprache und legte ihr die Hand auf den Arm.
    »Áine, was ist geschehen, dass du sehend in dein Verderben läufst? Die Sonne kennt kein Erbarmen.«
    »Peregrine!«, schluchzte sie. »Es muss ihm etwas zugestoßen sein.«
    »Im Augenblick kannst du nichts für ihn tun.« Tara spürte, dass Áines Geist für Vernunft nicht mehr zugänglich war. Blutrot schob sich die Sonne über die Hügel auf der anderen Seite des Lough Corrib und überschüttete die weite Wasserfläche mit Gold. Die Wölfe zerrten Áine in den Schatten der Scheune. Ihre Haut begann zu dampfen. Die Vampirin wankte. Tara schob das Scheunentor auf und führte Áine ins Dunkle. Schon fielen ihr die Augen zu. Die alte Druidin trug sie halb in eine Ecke, in der ihr die Bretterwände ohne Ritzen und Astlöcher schienen. Sanft ließ sie Áine zu Boden sinken, die bereits in ihre todesähnliche Starre verfallen war. Tara stapelte ein paar leere Kisten um sie auf und schob einen Berg an Heu zusammen, dass sie vom Tor aus nicht mehr zu sehen war. Mehr konnte sie nicht tun, außer zu hoffen, dass sie bis zum Abend ungestört blieb. Für einen Moment erwog sie, einen der Wölfe zu ihrem Schutz zurückzulassen, doch sie verwarf den Gedanken wieder. Würde einer der Bauern den Wolf bemerken, wäre hier die Hölle los, und das ganze Dorf würde zusammenlaufen, um den Räuber zur Strecke zu bringen. Nein, er könnte Áine eher in

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