Lycana
Städtchen Cong zu, das auf der Landbrücke zwischen Lough Corrib und Lough Mask lag. Nur wenig später legte das Boot in Cong an. Tara brachte die Stute an Land und stieg erstaunlich behände in den Sattel.
»Ich danke dir, Quintin. Mögen die Götter dir gewogen sein. Ich biete dir nicht mehr als meinen Segen, denn du würdest es wieder von dir weisen.«
Der alte Mann lächelte ein wenig traurig. »Ihr habt genug getan. Ich bin stolz, dass meine Enkelin zur Herrin von Inchagoill heranwächst, und es ist mir Lohn genug, sie von Zeit zu Zeit sehen zu dürfen, auch wenn sie in mir nur den alten Fischer sieht.«
»Warum willst du ihr nicht sagen, dass du ihr Großvater bist?« Der Alte hob die Achseln. »Sie ist jetzt eine Druidin und gehört nicht mehr zu uns normalen Menschen. Isleen ist eine Mittlerin zwischen der Anderwelt, der Natur und den Menschen. Soll sie sich mit so niederen Dingen abgeben wie einem Großvater, der das Reißen im Rücken spürt und seine Finger in der Kälte des Morgens nur noch unter Schmerzen bewegen kann? Nein, mir genügt es, wenn ich sie von Weitem sehe und den Stolz in meiner Brust bewegen darf, dass sie mein Fleisch und Blut ist.«
Tara nickte ihm noch einmal zu und trieb dann die Stute in einen leichten Galopp. Sie durchquerten die Ländereien von Lord Ardilaun, der sich vor wenigen Jahren Ashford Castle am Ufer des Lough erbaut hatte. Das Brauereigewerbe hatte die Familie Guinness unermesslich reich gemacht.
Als Tara die Brücke beim Fischerhaus der Mönche erreichte, zügelte sie die Stute und ließ sie im Schritt über die Holzplanken gehen. Das kleine Häuschen auf einem Felsen mitten im Cong-Fluss hatte es den Mönchen einst erlaubt, durch ein Loch im Boden beim Fischfang auch bei schlechtem Wetter im Trockenen zu sitzen. Die Druidin passierte die Überreste der Abbey und des Klosters, die schon lange verlassen waren. Hinter dem trockenen Kanal ließ sie Álainn wieder in Galopp fallen. Er war ein Mahnmal, mit dem die Natur den Menschen ihre Grenzen aufzeigte, doch Tara fragte sich, ob die Menschen bereit waren, die Zeichen zu lesen. Der weitläufige Kanal mit seinen Schleusen und Treidelpfaden sah aus, als müsse jeden Augenblick das Wasser einschießen, um auf seinem Rücken Dampfschiffe vom Lough Mask nach Süden und wieder zurückzubringen. Doch dieser Kanal würde weiterhin nur Unkraut beherbergen, bis er einst verfallen und von der Natur zurückgeholt würde. In der Zeit des großen Hungers 1848 hatten sie begonnen, das Bett zu graben. Ein Programm der englischen Armenfürsorge, bei der es Brot nur gegen Arbeit gab. Ein Wunder, dass die ausgemergelten, hungernden Bauern es überhaupt geschafft hatten, das Kanalbett auszuschachten. Tara wusste nicht, wie viele trotz der einen warmen Mahlzeit am Tag an Entkräftung gestorben waren. Nach sechs Jahren Arbeit jedenfalls war der Kanal fertig und der Damm zum Lough Mask wurde durchstochen. Doch das einströmende Wasser kam nie im Lough Corrib an. Der löchrige Kalkstein saugte es in seinen Untergrund, wo es in unterirdischen Flüssen verschwand. Ob die Menschen etwas daraus gelernt hatten? Die Druidin bezweifelte es. Die Zeiten, da die Menschen die Stimme der Natur vernommen hatten und bereit gewesen waren, auf sie zu hören, waren lange schon vergangen.
FLEDERMÄUSE IN DER DUNKELHEIT
Das also sollte ihr neues Quartier werden. Alisa trat ein Stück vor und ließ den Blick durch die geräumige Höhle schweifen. Die Decke wölbte sich mehrere Dutzend Schritte in die Höhe, dass sie fast wie die Kuppel einer Basilika aussah. Der Boden war leidlich eben, die Steine vom Wasser erstaunlich glatt geschmirgelt. Bis auf die Reste in einigen Mulden war auch der Lehm ausgewaschen. Die Steinblöcke, die sich in der Mitte im Rund um eine Mulde scharten, waren sicher nicht ursprünglich hier gelegen, sondern von den Lycana hergebracht worden. Sie waren so regelmäßig geformt, dass Alisa vermutete, sie seien mit Werkzeugen nachbearbeitet worden. In der Mulde in der Mitte brannte ein kleines Torffeuer in einer Schale, das so viel Licht verbreitete, dass sie bis in den hinteren Teil der Höhle sehen konnte, in dem sich die Decke auf wenige Meter herabsenkte. Dort standen auf dem ebenen Boden einfache Särge aufgereiht. Das Holz war dunkel vom Alter und der Feuchtigkeit, aber sie würden nicht auf dem felsigen Boden ruhen müssen, wie Alisa angenommen hatte. Dennoch wunderte es sie nicht, dass Anna Christina sich nicht lobend über
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