Lycana
der ihm bekannt gewesen wäre. Eine seltsame Unruhe überfiel ihn. Waren es nicht viel zu wenige dort unten? Wo waren all die anderen? Zögernd ließ er sich auf der Turmspitze nieder. Was sollte er jetzt tun? Zu irgendeinem der Vampire fliegen? Oder warten? Die Druidin hatte ihm eingeschärft, wie sehr die Zeit drängte.
Ein Schiff näherte sich der Zufahrt zur Grotte und wurde dann geschickt zwischen den Untiefen in die Öffnung manövriert. Der Adler konnte die Rufe des Bootsführers hören. Diese Stimme kannte er. Das war Murrough, dem auch Tara vertraute. Ohne weiter zu zögern, stieß der Greif hinab und flog in die Grotte.
Der Vampir zeigte kein Anzeichen von Überraschung, als der riesige Vogel plötzlich auf seiner Schulter landete.
»Tapaidh, was verschafft mir die Ehre?«
Der Vampir öffnete seinen Geist und nahm die Botschaft auf, die Tara ihm mit auf den Weg gegeben hatte. Der Adler spürte die Sorge und das Bedauern.
»Du wirst weder Donnchadh hier finden noch Catriona oder auch nur einen der Erben«, sagte Murrough. »Sie sind nach Aillwee gezogen.« Und er berichtete, was sich auf Dunluce zugetragen hatte. Der Adler legte den Kopf schief und lauschte den Gedanken. Es waren viele verwirrende Bilder, die er erst ordnen musste. Eines aber war ihm klar: Die unaufhaltsam verfließende Zeit war zu einem übermächtigen Feind geworden. Sobald Murrough verstummte, flatterte der Greif von seiner Schulter und flog in die Nacht hinaus, um Tara zu suchen, die mit jeder Stunde weiter in die falsche Richtung ritt.
Am Abend führten die drei Lycana, die sie in der vorherigen Nacht bei ihren Übungen unterstützt hatten, die Erben durch den Höhlengang zurück ins Freie. Nicht dass Franz Leopold die engen Gänge als bedrückend oder gar beängstigend empfunden hätte, wie seine Cousine Marie Luise oder der Vyrad Raymond, deren Gefühle er aufgefangen hatte. Er rümpfte die Nase über so viel Schwäche. Sie war eines Vampirs und insbesondere eines Dracas unwürdig! Dennoch freute auch er sich auf den hohen Himmel und den würzigen Geruch des Nachtwindes.
Nachdem in der vorherigen Nacht nicht einmal allen gelungen war, eine Fledermaus zu rufen und sie bei sich zu halten, wurden sie wieder in drei Gruppen aufgeteilt und setzten unter Anleitung ihre Übung fort. Franz Leopold blieb an Ivys Seite, die sich nach Kräften bemühte, Luciano zu helfen, an dem sie aus irgendeinem unbegreiflichen Grund einen Narren gefressen hatte. Er erntete sogar einen vorwurfsvollen Blick, als er nach einer Weile sagte: »Wie kann man sich nur so anstellen?«
Mit gleichmütiger Miene wandte er sich ab. Sie sollte ruhig wissen, dass er sich von keiner Vampirin maßregeln ließ - und schon gar nicht von einer Lycana, die noch in der Steinzeit lebte! Er beschloss, sie eine Zeit lang mit Verachtung zu strafen. Franz Leopold sah sich in seiner sechsköpfigen Gruppe um, die mit Catriona trainierte. Natürlich konnte es ihm nicht gefallen, von einer Unreinen Anweisungen entgegennehmen zu müssen. Wie konnte Donnchadh so etwas von ihnen verlangen?
Es kommt nicht auf die Blutlinie an. Allein die geistigen und magischen Kräfte machen den Vampir aus - und sie ist eine Meisterin, der unser Respekt gebührt!
Franz Leopold fuhr herum. Eigentlich konnte ihm nur Ivy diesen Gedanken geschickt haben, doch als er zu ihr hinüberblickte, sah er nur ihren Rücken, über den die silbernen Locken hinabflossen. Sie schien völlig auf Luciano und die kleine Fledermaus, die auf seiner flachen Hand saß, fixiert. Rasch wandte er sich wieder ab. Zu ihrer Gruppe gehörten noch Anna Christina und Fernand, auf deren Gesellschaft er überhaupt keinen Wert legte. Er hätte kaum sagen können, wen von beiden er unerträglicher fand: den schmutzigen, ungebildeten Pyras oder seine stets keifende Cousine. Sein Blick wanderte weiter zu Alisa, die mit einem zufriedenen Lächeln die Hand ausstreckte. Tatsächlich löste sich eine Fledermaus aus dem Dunkeln und flog auf sie zu. Doch gerade als sie auf ihrer Handfläche landen wollte, schoben sich Franz Leopolds Gedanken in die ihren und störten ihre Konzentration. Die Fledermaus drehte ab und verschwand. Alisa wirbelte zu dem Dracas herum, bereit, ihn mit ihrer Empörung zu überschütten, als Catriona sie ansprach. Offensichtlich hatte sie ihren fehlgeschlagenen Versuch beobachtet.
»Das war zu Anfang sehr gut, Alisa, doch du darfst dich nicht in deiner Konzentration stören lassen.« Ihre Stimme klang
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