Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde
auf den Schreibblock. Sie konnte es wittern. Sie schmeckte Blut.
»Das ist mir durchaus klar. Ich dachte mir nur, dass Sie sicher die eine oder andere Spur verfolgen, schließlich ist es in der letzten Zeit in der Umgebung doch zu recht merkwürdigen Verbrechen gekommen. Mehrere Menschen werden vermisst, außerdem wurde in das Lager eines Großhändlers für Krankenhausbedarf eingebrochen. Da könnte doch eine Verbindung bestehen?«
»Vielen Dank für die Anregung, Miss Strong, aber ich verstehe nicht, was Sie das angeht.« Wie immer versuchte er, kalt und arrogant zu klingen, aber das kaum hörbare Zittern in seiner Stimme verriet ihr, dass er etwas zu verbergen hatte.
»Ich bin nur eine am Gemeinwohl interessierte Bürgerin.«
»Mit blühender Fantasie.«
»Das haben Sie beim letzten Mal auch gesagt, Chief. Muss ich Sie daran erinnern, wie die Sache für Sie ausgegangen ist?«
»Miss Strong, hier gibt es nichts zu holen.«
»Haben Sie Fotos von dem Hund?«, fragte Lydia.
»Nein.«
»Na schön, Sie wollen es wohl nicht anders«, sagte sie mit leiser, sanfter Stimme. »Wir werden uns bald wieder sprechen. Schneller, als Ihnen lieb ist.«
»Ich freue mich schon darauf. Ehrlich!«
Simon Morrow knallte den Hörer auf die Gabel und stieß ein paar Flüche aus. Schimpfend erhob er sich und stieß einen Becher mit kaltem Kaffee auf seinem Schreibtisch um.
Er schaffte es gerade noch, die Fotos von Luckys aufgeschlitztem Bauch vor der schwarzen Brühe zu retten.
SECHS
M itten in der Nacht zu joggen hatte Lydias Ruhelosigkeit nur kurzfristig besänftigt. Aus dem Morgen war Nachmittag geworden, aus dem Nachmittag früher Abend. Lydia saß immer noch am Computer, konnte sich aber zunehmend schlechter konzentrieren.
Vielleicht sollte sie Jeffrey anrufen und ihn fragen, was er von den Zeitungsartikeln hielt, ob er einen Zusammenhang sah. Aber gleich darauf schossen ihr neue Gedanken und Bilder durch den Kopf. Die Erinnerung an ihre Mutter durchzuckte sie, und schon bald spürte sie wieder die alte Rastlosigkeit. Sie schaltete den Computer aus, stand auf und streckte sich. Im Haus war es bedrückend still. Sie musste nach draußen.
Sie ging ins Schlafzimmer, betrat ihren begehbaren Kleiderschrank und betrachtete die teuren Designerklamotten, die sie mit großem Eifer sammelte.
Wann immer sie dem Impuls nachgab, brachte er sie an ihre Grenzen. Manchmal schaffte sie es, ihn stunden- oder tagelang zu unterdrücken. Sie verdrängte ihn, bis sie ihn nicht länger ignorieren konnte. Sogar jetzt, als das ärmellose, schwarze Kleid von Armani über ihre schlanken, muskulösen Arme rutschte und sie leichtfüßig in ihre schwarzen Gucci-High-Heels schlüpfte, dachte sie kaum über ihr Vorhaben nach. Sie drehte das glänzende, blauschwarze Haar zu einem lockeren Knoten, den sie mit zwei leuchtend roten Stäbchen feststeckte. Make-up benutzte sie nicht, sondern trug nur etwas knallroten Lippenstift von MAC auf, der ihre katzengrauen Augen betonte. Eigentlich wollte sie Verantwortung für ihr Tun übernehmen, aber sie konnte nicht anders und verhielt sich wie ein Junkie, der nur an den nächsten Schuss dachte. Als sie das Haus verließ, spürte sie Erleichterung, die Nacht nicht allein verbringen zu müssen.
In großen Städten wie New York war das Spiel gefährlicher, das Gelände unübersichtlicher und interessanter. In Santa Fe fand sie sich meistens an der Bar des Eldorado Hotel wieder, manchmal auch in einem Restaurant am Marktplatz, selten in einer der Kellerbars am Highway. Es war egal.
»Kann ich Ihnen helfen, Miss?« Ein lächelnder Restaurantmanager begrüßte sie an der Tür. Er wirkte viel zu jung in seinem Smoking.
»Ich möchte nur etwas trinken. Ich setze mich an die Bar.«
Im Hotel war es voller als sonst. Die Einheimischen hatten sich gegen den Bau des Eldorado gewehrt, aber die Touristen schätzten den Ort zu jeder Jahreszeit. Die Opern- und die Skisaison, der Indianermarkt und die Kunstgalerien in der Canyon Road zogen Neureiche aus dem ganzen Land an. Die Hotelbar hatte sich schon beim letzten Mal als geeignetes Jagdrevier herausgestellt.
Sie entdeckte ihn am anderen Ende des glänzend schwarzen Tresens. Er war jung, kaum Mitte zwanzig, und hatte sich das lange, schwarze Haar zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Er roch förmlich nach Geld, sein schwarzer Kaschmirpulli spannte sich elegant über die straffen Brustmuskeln und die breiten Schultern. Seine Rolex schimmerte im Licht der Halogenleuchten
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