Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde
sollen.«
»Was bedeutet es, sein Herz zu verlieren? Wenn jemand einem das Herz stiehlt?«
»Man verliert einen geliebten Menschen. Die Hoffnung. Den Glauben.«
»Vielleicht haben die Opfer ihn gekränkt. Vielleicht fühlte er sich zu den Frauen hingezogen, und sie haben ihn abgewiesen oder seiner Meinung nach herablassend behandelt. Das hieße, dass Harold ihm im Weg stand. Er hat sich ihr Herz genommen wie sie seins.«
»Aber die Frauen waren sehr unterschiedlich. In solchen Fällen ist der Täter normalerweise auf einen bestimmten Typ Frau fixiert. Eine Frau in seiner Vergangenheit hat ihn zutiefst traumatisiert, normalerweise seine Mutter, die er wieder und wieder zu töten versucht.«
»Okay, nehmen wir an, Shawna, Harold und Christine haben dasselbe Schicksal erlitten wie Maria. Warum ausgerechnet das Herz?«
Nachdenklich tappte Jeffrey mit dem Kuli auf den Küchentisch.
Lydia trug ein dickes, graues Sweatshirt, schwarze Leggings und weiße Socken und hatte es sich am Fenster bequem gemacht. Sie richtete sich auf und bewegte den Kopf hin und her, um die Nackenmuskeln zu entspannen. Als der Teekessel hysterisch pfiff, stand Jeffrey auf, um Kamillentee zu kochen. Lydia sah ihm gern in der Küche zu, wenn seine starken Arme und großen Hände nicht mit Waffen hantierten, sondern mit Töpfen, Kesseln und Lappen. Er sah so süß aus, und auf unwiderstehliche Weise männlich. Sie musste lächeln.
»Ich habe mit Jacob telefoniert.«
»Das wusste ich gar nicht.«
»Ja. Ich habe ihn angerufen, kurz nachdem du heute Morgen aus dem Haus gegangen bist. Er hat Christine und Harold überprüft. Keinerlei Bewegungen auf dem Bank- und Kreditkartenkonto. Er hat die Entzugskliniken in der Gegend abtelefoniert, aber auch da gab es keine Treffer. Keine Festnahmen in den umliegenden Städten. Ich glaube, ich habe einfach gehofft, dass du dich irrst und sie wieder auftauchen. Inzwischen müsste ich wissen, dass auf dein Bauchgefühl Verlass ist.«
»Was heute passiert ist, tut mir leid, Jeffrey.«
Er hielt inne, verblüfft über ihre Entschuldigung.
»Ist schon gut, Lydia. Mir tut es auch leid«, sagte er und löffelte Honig in die Teetassen, ohne sich zu ihr umzudrehen. »Ich weiß, wie nah dir die Sache geht.«
»Ich hätte dir trotzdem nicht den Kopf abreißen dürfen.«
»Wann?«, fragte er lachend.
»Noch nie«, antwortete sie ernst.
Er stellte die Teetassen auf dem Tisch ab und berührte ihr Gesicht mit seinen warmen Fingerspitzen. Sie ergriff seine Hand und presste ihre Lippen in einer warmen, leidenschaftlichen Geste darauf. Obwohl er sie so gern berührt hätte, hielt Jeffrey still aus Angst, der Moment könnte zu schnell vergehen.
Lydia rang innerlich mit sich. Wie nah er mir jetzt ist, wie einfach es wäre, sich hinzugeben . Aber dann ließ sie seine Hand los und starrte in ihre Teetasse. Er nahm ihr gegenüber Platz und schwieg. Er fürchtete, seine Stimme würde versagen.
»Sie waren ganz allein«, sagte sie, um die Spannung aufzulösen.
»Wer?«
»Maria Lopez und die anderen. Niemand hat sich etwas aus ihnen gemacht.«
»Ich weiß. Das gibt einem zu denken, nicht wahr? Na ja, mir jedenfalls.«
»Worüber denkst du nach?«
»Über die Einsamkeit.«
Sie warf ihm über die Teetasse hinweg einen überraschten, fragenden Blick zu. »Bist du einsam, Jeffrey?«
»Du nicht?«
Schnell stand Lydia auf, ging zum Kühlschrank und öffnete ihn, um seinem Blick zu entgehen.
»Was hat das mit unserem Fall zu tun?«, fragte sie beleidigt.
Er nahm seine Brille ab und rieb sich den Nasenrücken, bevor er sich zurücklehnte.
»Ich habe die Schnauze gestrichen voll.«
»Wovon?«
»Von diesem Eiertanz. Ich nähere mich dir, du flüchtest. Du öffnest dich wieder. Ich gehe einen Schritt vor, du zwei zurück. Was soll das?«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte sie zur Milchtüte gewandt.
Jeffrey stand auf, ging zum Kühlschrank und drehte Lydia sanft um. Er konnte seine Enttäuschung nicht länger verbergen.
»Ach, komm schon. Willst du wirklich so tun, als wäre da nichts zwischen uns? Willst du so tun, als wüsstest du nicht, was ich für dich empfinde?«
»Jeffrey, bitte«, sagte sie.
Er sah ihr in die Augen und erkannte ihre Angst, und im selben Moment hasste er sich für seine Ungeduld. Er zog sie fest an sich, und sie erwiderte die Umarmung mit der gleichen Leidenschaft.
»Wenn wir … Ich könnte nie … Oh Gott«, sagte sie, den Kopf an seine Schulter gelehnt.
Auf einmal wurde die
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