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Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde

Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde

Titel: Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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Kiesel.
    Während er in der Bank saß, beschlich Juno das Gefühl, auf Treibsand zu stehen. Er wagte es nicht, Lydia anzusprechen, weil er fürchtete, seine eigene Stimme nicht wiederzuerkennen. Lydia nahm neben ihm Platz und legte ihre Hand auf seine.
    »Ich weiß, wie es Ihnen geht. Und was ich Ihnen zu sagen habe, wird Sie nicht trösten«, sagte sie leise.
    Juno nickte.
    »Die Wände draußen sind blutverschmiert. Wie es aussieht, hat sich jemand im Garten zu schaffen gemacht. Wir graben gleich alles um, und ich weiß nicht genau, was wir finden werden, aber …«
    Juno hob die Hand, um Lydia zu unterbrechen. Er sammelte sich und flüsterte:
    »Wissen Sie, was mit meinen Eltern passiert ist?«
    »Mit Ihren Eltern?«, fragte Lydia und fürchtete schon, er hätte den Verstand verloren. »Sie meinen Ihren Onkel?«
    »Nein. Ich spreche von meinen Eltern. Wissen Sie, was mit ihnen passiert ist?«
    »Ja«, sagte Lydia und fragte sich, worauf er hinauswollte.
    »Werden Sie es mir verraten?«
    »Sie wissen es nicht?«
    »Nein.«
    »Was haben Sie denn all die Jahre geglaubt?«, fragte Lydia ihn fassungslos.
    »Wenn ich es Ihnen erzähle, werden Sie es mir nicht glauben. Oder mich für verrückt halten.«
    »Unterschätzen Sie mich nicht.«
    In dem sanften Tonfall, in dem man einem Kind ein Märchen vorlesen würde, erzählte Juno Lydia die Geschichte, an die er sein ganzes Leben geglaubt hatte.
    »Meine Mutter war ein wunderschöner Engel, den ein alter Zauberer gefangen genommen hatte. Sechzehn Jahre lang versteckte er sie in einem Turm mit hundert Treppenstufen. Ihr Haar war so schwarz wie der Meeresgrund und ihre Augen so blau wie Eis. Der Zauberer liebte sie auf seine eigene, krankhafte Art. Aber weil er sie von Gott gestohlen hatte, musste er sie oben im Turm in einem Taubenschlag verstecken. Er gab ihr nur die erlesensten Früchte zu essen und den köstlichsten Honig.
    Meine Mutter Serena war zufrieden. Sie lebte gern mit den Tauben zusammen, und der Zauberer war immer gut zu ihr. Sie war nun schon so lange oben in dem Turm, dass sie ihn als ihr Zuhause betrachtete. Sie sehnte sich nicht nach Freiheit, konnte sich die Welt da draußen kaum vorstellen. Der Zauberer hatte sie ihr als einen dunklen, gefährlichen Ort beschrieben. Er wolle sie nur vor dem Bösen beschützen. Meine Mutter war ihm dankbar dafür.
    Bei Vollmond sang Serena für die Tauben. Sie sang zauberhafte Lieder mit einer Engelsstimme, die über die Baumwipfel bis zu den Sternen hinaufgetragen wurde. Eines Nachts kam ein junger Schäfer namens Manuel mit seiner Herde vorbei und hörte Serenas Lied. Er folgte dem Klang ihrer Stimme und sah sie oben im Turm am Fenster sitzen. Er verliebte sich sofort in sie.
    Als er sich bemerkbar machte, erschrak sie und zog sich vom Fenster zurück. Er lief um den Turm herum und fand eine Tür, die aber abgeschlossen war.
    Eine Weile rief er noch nach ihr, aber sie zeigte sich nicht mehr. Ratlos setzte Manuel sich unter einen Baum und überlegte, wie er sie dazu bewegen könnte, die Tür zu öffnen. Bald war er eingeschlafen. Später an dem Abend wurde er von Schritten geweckt. Schnell versteckte er sich hinter dem Baum und schaute zu, wie der alte Zauberer einen goldenen Schlüssel von der Kette an seinem Hals nahm und die Tür aufschloss. Dann verriegelte er sie von innen wieder. Dies war vielleicht seine einzige Chance, in den Turm zu gelangen. Er suchte sich den schwersten Stein, den er anheben konnte, stellte sich neben die Tür und wartete auf den Zauberer.
    Als der Zauberer wieder herauskam, schlug ihm der Schäfer den Stein auf den Kopf, und der Alte wurde ohnmächtig.
    Manuel rannte die Treppe hinauf und fand oben die schlafende Serena in einem Bett aus Taubenfedern und Goldstaub. Er setzte sich neben sie, und während er ihre Schönheit bewunderte, quoll sein Herz über vor Liebe. Als sie aufwachte und sein freundliches, schönes Gesicht sah, fing auch sie Feuer.
    ›Serena, komm mit mir. Ich bin nur ein armer Schäfer, aber ich will dich ein Leben lang lieben und beschützen‹, sagte er.
    Sie willigte ein, und er küsste sie leidenschaftlich. Sein Kuss war so voller Liebe, dass ein Kind entstand und plötzlich neben ihnen auf dem Bett lag. Sie nannten es Juno, und das war ich. Überglücklich trug das junge Paar mich hinunter, aber als sie durch die Tür traten, erwartete sie der Zauberer. Wütend zog er sein Schwert aus der Scheide und durchbohrte damit meinen Vater, der sofort starb. Meine Mutter wurde

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