LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
trällerte es neben ihr.
Emma blickte auf und sah Nisha Banerjee grinsend am Zaun lehnen, die schlanken Hände in die Hüften gestemmt. Ihre strahlend weiße Tenniskluft leuchtete – wahrscheinlich bleichte sie sie nach jedem Spiel –, und auf dem Frotteestirnband, das ihr glänzendes dunkles Haar zurückhielt, war kein Tropfen Schweiß zu sehen.
Nisha war mit Sutton zusammen Mannschaftsführerin, und sie ließ keine Gelegenheit aus, um Emma darauf hinzuweisen, dass sie diesen Titel nicht verdiente. Emma biss sich auf die Lippe und erinnerte sich selbst daran, dass Nisha gemein war, weil es ihr sehr schlecht ging – sie hatte erst im Sommer ihre Mutter verloren und musste eine Menge verarbeiten. In einem Paralleluniversum hätten sie und Emma sich vielleicht angefreundet, weil beide keine Mutter mehr hatten.
Aber bestimmt nicht in diesem Universum , wollte ich ihr sagen. Nisha Banerjee und Sutton Mercer waren Todfeindinnen und würden das auch immer sein. Hätte Nisha für die Nacht, in der ich gestorben war, kein hieb- und stichfestes Alibi gehabt – die gesamte Tennismannschaft hatte bei ihr übernachtet –, wäre sie meine Hauptverdächtige gewesen.
Emma griff nach ihrer Sporttasche und ging ins Schulgebäude. Wheelers Umkleideraum roch nach alten Socken und Bodyspray mit Erdbeerduft. In der Ecke tropfte ein Duschkopf vor sich hin und an der Rigipswand hing ein Flyer, der für Hallen-Wasserpolo warb. Emma stopfte ihre verschwitzten weißen Socken in ihre Tasche, zog sich die Tennisklamotten über den Kopf und schlüpfte in Suttons pinkfarbene Ballerinas, Jeansshorts und T-Shirt. Als sie aufs Waschbecken zuging, protestierten ihre Oberschenkelmuskeln laut, und sie verzog das Gesicht. Bis zum Ende der Saison musste sie noch acht weitere Turniere bestreiten. Danach brauchte sie wahrscheinlich Beinprothesen.
Sie bog um die Ecke und sah im Duschraum ein paar Mädchen, die Badekappen mit dem Logo der Schwimmmannschaft von Hollier trugen. Aus den Hähnen schoss heißes Wasser, und der ganze Raum war mit Dampf vernebelt. Emma erhaschte Konversationsfetzen: Über den Schmetterlingsstil einer Mannschaftskameradin und einen heißen Wheeler-Schwimmer namens Devon. Als sie den Namen Thayer Vega hörte, stellten sich ihre Nackenhärchen auf. Sie schlich sich näher heran.
»Sutton Mercer muss einfach etwas damit zu tun haben«, zwitscherte ein Mädchen.
»Hat sie das nicht immer?«, antwortete ein zweites Mädchen mit rauer Stimme.
»Unfassbar, dass Thayer bei ihr zu Hause aufgetaucht ist. Alle sagen, dass sie ihn in Lebensgefahr gebracht hat. Ich meine, was denkt sich dieser Typ denn dabei, wieder was mit ihr anzufangen?«
Emmas ganzer Körper begann zu kribbeln. Sutton hatte Thayer in Lebensgefahr gebracht? Plötzlich erinnerte sie sich an etwas, das Ethan ihr am Freitag kurz vor ihrem Kuss erzählt hatte. Dass es ein Gerücht gebe, Sutton habe jemand mit dem Auto überfahren. Sie rief sich Thayers starkes Hinken ins Gedächtnis, als er vom Haus der Mercers abgehauen war. Konnte das sein?
Suttons iPhone vibrierte und Emma holte es eilig heraus. Sie versteckte sich in einer Duschkabine vor den Schwimmerinnen und betrachtete das Display. Eine unbekannte Nummer mit der örtlichen Vorwahl. »Hallo?«, flüsterte sie.
»Sutton?«, brummte eine tiefe Stimme. »Hier spricht Detective Quinlan.«
Emma umklammerte das Telefon fester und ihr Magen sackte nach unten. Sie war in ständiger Angst vor der Polizei aufgewachsen. Becky hatte ein paar Mal Ärger mit den Bullen gehabt, und Emma war insgeheim davon überzeugt gewesen, dass auch sie eines Tages als Beckys Komplizin im Gefängnis landen würde.
»Ja?«, quiekte sie.
»Du musst auf die Wache kommen und ein paar Fragen beantworten«, bellte Quinlan.
»Aber … was für Fragen?«
»Komm einfach vorbei.«
Emma konnte schlecht ablehnen, also sagte sie seufzend, sie werde gleich kommen. Dann steckte sie das Handy in ihre Tasche und ging aus der Umkleidekabine in Wheelers marmorne Hallen hinaus. An der Wand gegenüber reihte sich Schließfach an Schließfach, viele waren mit Aufklebern, Mini-Pompons und Schmierereien wie »Auf geht’s, Wheeler«, »Englisch nervt« oder »Jane, du Schlampe« verziert. Das Licht der Spätnachmittagssonne schien durch ein offenes Fenster und malte goldene Rechtecke an die kornblumenblauen Wände.
Emma schaute wieder auf ihr Telefon. Die Polizeiwache lag direkt neben der Hollier High, fünf Meilen entfernt von Wheeler. Wie sollte sie
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