LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
einem rosinenfarbenen Schlauchtop verkaufte Türkisschmuck. Das handgeschriebene Schild neben ihr warb mit Top-Qualität zu günstigen Preisen. Die Sonne leuchtete über dem Horizont.
Als das Auto auf den Parkplatz der Polizeiwache einbog, schaute Lili Emma im Rückspiegel an. »Sollen wir auf dich warten?«
»Oder willst du, dass wir mit reinkommen und dich moralisch unterstützen?«, fügte Gabby hinzu.
»Nein danke.« Emma rutschte von ihrem Sitz und knallte die Tür zu. »Danke fürs Mitnehmen!«
Emma und ich mussten uns nicht umdrehen, um zu wissen, dass Gabby und Lili ihr nachstarrten, als sie durch die Glastüren mit der Aufschrift Polizeiwache Tucson ging.
6
Emma im großen Wald
Die Wache sah noch genauso aus wie bei Emmas letzten beiden Besuchen hier. Beim ersten hatte sie gemeldet, dass Sutton verschwunden war, und beim zweiten war sie hier gelandet, weil sie bei Clique eine Tasche geklaut hatte. Es roch immer noch ranzig nach altem Fastfood. Die Telefone schrillten laut. Ein alter Flyer mit einem Foto von Thayer und dem Schriftzug »Habt ihr ihn gesehen?« hing an einer Pinnwand in der Ecke neben einem »Gesucht«-Plakat. Emma ging zur Rezeption und stellte sich bei einer hageren Frau mit Betondauerwelle vor.
» S-U-T-T-O-N M-E-R-C-E-R «, wiederholte die Frau und tippte die Buchstaben mit ihren langen violetten Acrylfingernägeln in eine uralte Tastatur. »Bitte setzen Sie sich. Detective Quinlan ist gleich bei Ihnen.«
Emma setzte sich auf einen harten gelben Plastikstuhl und betrachtete wieder die Pinnwand. Der Kalender zeigte noch den Monat August. Wahrscheinlich hatte die Rezeptionistin das Motiv ausgewählt, ein Kätzchen, das einem zerfetzten roten Wollknäuel hinterherjagte. Dann betrachtete sie das »Gesucht«-Plakat. Die meisten Verbrecher auf der Liste wurden offenbar wegen Drogendelikten gesucht. Schließlich ließ sie ihren Blick auf dem Flyer ruhen. Thayers haselnussbraune Augen starrten sie direkt an und der Hauch eines Lächelns umspielte seine Lippen. Einen Augenblick lang hätte Emma schwören können, dass der Junge auf dem Foto ihr tatsächlich zuzwinkerte, aber das war unmöglich. Sie rieb sich den Nacken und versuchte, sich zusammenzureißen. Aber Thayer war irgendwo in diesem Gebäude, und das reichte aus, um ihr eine Gänsehaut zu verschaffen.
»Miss Mercer.« Quinlan war aus einer Tür herausgetreten. Er trug dunkelbraune Hosen und ein beigefarbenes Hemd. Mit seinen einsachtzig wirkte er sehr imposant. »Komm bitte mit.«
Emma stand auf und folgte ihm den gefliesten Flur entlang. Quinlan öffnete die Tür desselben Zimmers, in dem er Emma bereits letzte Woche wegen ihres Ladendiebstahls verhört hatte. Sobald die Tür aufging, wurde Emma von einer Wolke Lavendel-Febreze umhüllt. Sie hielt sich die Hand vor die Nase und versuchte, durch den Mund zu atmen.
Quinlan zog einen Stuhl zurück und bedeutete Emma, sich zu setzen. Langsam ließ sie sich auf die Sitzfläche sinken. Quinlan nahm ihr gegenüber Platz und warf ihr einen auffordernden Blick zu, als erwarte er, dass sie einfach zu reden anfing. Emma betrachtete die Waffe an seiner Hüfte. Wie oft er die wohl schon benutzt haben mochte?
»Ich habe wegen deines Autos angerufen, Sutton«, sagte Quinlan schließlich.
Er legte die Hände zu einem Dach aneinander und starrte Emma über seine Fingerspitzen hinweg an. »Wir haben es gefunden. Aber zuerst wollte ich fragen, ob du mir irgendetwas dazu zu sagen hast?«
Emma erstarrte, ihr Gehirn war völlig leer. Sie wusste nur sehr wenig über Suttons Auto – eigentlich nur, dass ihre Schwester damit ihren Freundinnen vor ein paar Monaten einen grausamen Streich gespielt hatte. Sie hatte das Auto auf den Schienen abgewürgt, während ein Zug auf sie zudonnerte. Und dass sie es am Abend ihres Todes vom Abschlepphof geholt hatte. Seitdem war es verschwunden, genau wie Sutton.
Ich wünschte, ich könnte mich daran erinnern, was ich an jenem Tag mit dem Auto gemacht hatte. Aber ich hatte keinen blassen Schimmer.
Emmas Herz klopfte vor Aufregung schneller. Sutton hatte das Auto an ihrem letzten Lebenstag gefahren. Vielleicht enthielt es ja einen Hinweis oder sogar irgendeinen Beweis? Oder – sie zuckte innerlich zusammen – womöglich sogar Suttons Leiche.
Ich hoffte sehr, dass das nicht der Fall war. Aber plötzlich blitzte ein Erinnerungsfunken in mir auf. Felsen waren unter meinen Füßen, und ich spürte, wie Kaktusstacheln und Zweige über meine Knöchel kratzten. Ich
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