LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
ist uns gefolgt. Niemand weiß, dass Thayer hier ist … oder dass ich bei ihm bin.
Bald darauf erreichen wir den Aussichtspunkt. Unter uns erstreckt sich ganz Tucson, ein glitzerndes Lichtermeer. »Wow«, sagt Thayer leise. »Wie hast du diesen Ort entdeckt?«
»Ich bin früher manchmal mit meinem Dad hier gewesen.« Ich deute auf eine unebene, etwas tiefer liegende Fläche. »Wir haben dort unten eine Decke ausgebreitet, ein Picknick gemacht und stundenlang Vögel beobachtet. Das ist ein Hobby von Dad und er hat mich oft mitgenommen.«
»Klingt ja sehr spannend«, sagt Thayer sarkastisch.
Ich gebe ihm einen Knuff. »Das war es wirklich.« Plötzlich bin ich sehr traurig. Ich erinnere mich daran, wie mein Dad mich auf die riesigen Felsen hievte und mir dann meine violette Wasserflasche hinaufreichte – meine Lieblingsflasche in der Grundschule. Dann stießen wir an und dachten uns Trinksprüche aus. Auf Sutton , sagte mein Dad zum Beispiel, die gelenkigste Wanderratte, die den Sabino Canyon seit 1962 durchquert hat. Ich stieß dann mit meiner Trinkflasche mit ihm an und erwiderte: Auf Dad, du wirst allmählich grau, aber du bist immer noch der schnellste Kletterer in dieser Gegend! Dann lachten wir uns kaputt und dachten uns immer blödere Trinksprüche aus.
Es fühlt sich an, als sei es eine Ewigkeit her, dass ich mich mit meinem Dad so gut verstanden habe, und ich weiß, dass ich daran mindestens genauso viel Schuld trage wie er. Ich starre zu den Sternen hoch, die den dunklen Himmel sprenkeln, und nehme mir vor, mir ein bisschen mehr Mühe mit ihm zu geben. Vielleicht schaffe ich es, unsere Beziehung wieder zu reparieren. Vorsichtig trete ich an die Absturzkante. »Dad hatte nur eine Regel«, fahre ich fort. »Ich musste mich von dieser Kante fernhalten. Gerüchten zufolge sind schon eine Menge Leute hier abgestürzt. Weil der Abhang so steil ist, konnte niemand sich abseilen, um ihre Leichen zu bergen, also sollen da unten eine Menge Skelette liegen.«
»Keine Angst«, sagt Thayer und schließt mich in die Arme. »Ich lasse dich nicht fallen.«
Mein Herz schmilzt dahin. Ich beuge mich vor und drücke meine Lippen auf seine. Er umschlingt meine Taille und zieht mich an sich. Dann vergräbt er die Hände in meinem Haar und erwidert meinen Kuss.
»Bitte geh nicht wieder fort«, flehe ich gegen meinen Willen. »Geh nicht zurück in dein Versteck, wo immer es auch ist.«
Er küsst mich auf die Wange und weicht zurück, um mich anzusehen. »Ich kann dir im Moment nicht erklären, warum«, sagt er, »aber ich kann nicht hierbleiben. Noch nicht. Aber ich verspreche dir, dass ich bald wieder hier sein werde.«
Er legt seine Hände sanft an meine Wangen. Ich will Verständnis haben. Ich will für ihn stark sein. Aber es ist so schwer. Dann bemerke ich ein weißes Freundschaftsarmband an seinem Handgelenk. »Wo hast du das her?«, frage ich und streiche über das raue Geflecht.
Thayer weicht meinem Blick aus. »Maria hat es für mich gemacht«, sagt er achselzuckend.
»Maria?« Ich erstarre. »Ist sie hübsch?«
»Sie ist nur eine Freundin«, sagt Thayer mit plötzlich abweisender Stimme.
»Was für eine Freundin?«, bohre ich weiter. »Wo habt ihr euch kennengelernt?«
Ich spüre, wie sich die Muskeln unter seinem grauen T-Shirt anspannen. »Ist doch egal. Da fällt mir ein, wie geht es Garrett?« Er spricht den Namen aus, als handle es sich um eine ansteckende Krankheit.
Ich löse mich von ihm. Plötzlich fühle ich mich sehr schuldig. Ich liebe Garrett – irgendwie. Er ist ein guter Freund. Und er ist hier, in Tucson, und nicht Gott weiß wo wie Thayer. Aber irgendetwas Unerklärliches zieht mich zu Thayer und bringt mich dazu, mich heimlich mit ihm zu treffen. Alle Gründe, die dagegen sprechen, sind mir völlig egal.
Thayer rückt näher. »Wenn ich wiederkomme, wird sich einiges ändern, richtig?«, fragt er leise. Er legt die Hände auf meine Hüften und zieht mich wieder an sich.
Unsere Körper sind sich so nahe. Ich konzentriere mich auf seine volle Unterlippe und wünschte, ich könnte ihm eine Antwort geben. Wenn ich bei ihm bin, will ich nur ihn. Aber ich kann nicht leugnen, dass unsere Beziehung zum Teil auch deshalb so gut funktioniert, weil wir sie geheim gehalten haben.
»Ich will, aber ich weiß es nicht«, flüstere ich. »Wegen Laurel. Und ich habe keine Ahnung, wie Madeline auf uns reagieren würde. Es ist alles so … kompliziert, findest du nicht auch?«
Thayer löst sich abrupt
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