LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
doch egal.« Ich drehe das Radio an. Sportnachrichten. Ich mache lauter.
»Ach, sei doch nicht so.« Thayer legt seine Hand auf meine. Dann fährt er sanft meinen nackten Arm hinauf und umschließt meinen Nacken. Meine Haut erglüht unter seiner Berührung. Er beugt sich zu mir, bis ich seinen warmen Atem auf meiner Schulter spüre. Er riecht nach Minze, als habe er auf der Fahrt eine ganze Packung Kaugummi gekaut. »Ich will mich an unserem einzigen gemeinsamen Tag nicht mit dir streiten.«
Ich schaue ihn an und hasse es, dass sich ein Kloß in meinem Hals bildet. »Es ist einfach schrecklich ohne dich hier. Du bist schon seit Monaten weg. Und du hast gesagt, diesmal bleibst du für immer.«
»Ich komme zurück, Sutton. Das musst du mir glauben. Aber noch nicht. Es ist einfach noch nicht so weit.«
Warum?, will ich ihn fragen. Aber ich habe ihm versprochen, ihn nicht zu löchern.
Ich sollte froh darüber sein, dass er seinen geheimen Zufluchtsort verlassen hat, um mich zu besuchen, und sei es auch nur für vierundzwanzig Stunden. Hierher zu kommen ist ein großes Risiko für ihn. So viele Leute suchen nach ihm. Und sie wären unglaublich wütend, wenn sie wüssten, dass er hier war und sich nicht bei ihnen gemeldet hat.
»Lass uns irgendwo hinfahren, wo es schön ist«, sagt Thayer und zeichnet mit dem Finger ein Muster auf mein Bein. »Soll ich fahren?«
»Träum weiter!«, grinse ich, schaue in den Rückspiegel und lasse den Motor aufheulen. Und sofort fühle ich mich besser. Es ist sinnlos, darüber nachzugrübeln, was er vor mir verbirgt und was uns die Zukunft bringen wird. Thayer und ich haben vierundzwanzig gemeinsame Stunden vor uns und nur das zählt.
Ich verlasse das Bahnhofsgelände und biege auf eine Hauptstraße ein. Zwei Kids in unserem Alter mit abgeschnittenen Jeans und Reisetaschen stehen neben einem verdorrten Busch und trampen. In der Ferne ragen die Catalina Mountains empor. »Wie wäre es mit einer Nachtwanderung?«, frage ich. »Außer uns wird niemand draußen sein. Der Berg gehört uns ganz allein.«
Thayer nickt und ich drehe am Sendersuchknopf, bis ich bei einem kratzigen Jazzstück lande. Saxofonklänge erfüllen das Auto. Ich will weiterdrehen, aber Thayer hält mich auf.
»Lass das ruhig«, sagt er. »Das bringt mich in Stimmung.«
»In Stimmung wofür?«, frage ich und werfe ihm einen verführerischen Seitenblick zu. Dann tippe ich mir mit dem Zeigefinger auf die Lippen, als dächte ich angestrengt nach. »Ich habe da so eine Idee.«
»Träum weiter, Sutton«, sagt er grinsend.
Lachend boxe ich ihn in den Oberarm.
Wir fahren schweigend bis zum Sabino Canyon. Ich habe beide Fenster geöffnet und der Wind streicht über unsere Gesichter. Wir fahren an einem Café namens Congress Club vorbei, wo Lesungen und Open-Mic-Sessions stattfinden, dann an einem Hundesalon namens Räudige Köter und an einem Eiscafé, in dem man seine eigenen Milkshakes zusammenstellen kann. Thayer greift nach meiner rechten Hand, als die Autobahn leerer wird. In der Ferne ragen Kakteen auf und der Duft von Wüstenblumen dringt zu uns herein.
Endlich fahren wir auf den Schotterpfad, der zum Canyon führt, und parken auf einem abgelegenen Parkplatz neben ein paar Mülltonnen. Der Nachthimmel ist schwarz und der Mond hängt über uns am Himmel wie eine glänzende runde Scheibe. Wir steigen aus dem Auto in die immer noch warme, schwere Abendluft hinaus und suchen den gewundenen Pfad, der zum Aussichtspunkt hinaufführt. Auf dem Weg streicht Thayer über meine Schulter, lässt seine Hand meinen Rücken hinabwandern und schließlich auf meiner Hüfte ruhen. Meine Haut wird unter seiner Berührung heiß. Ich beiße mir auf die Lippe und zwinge mich dazu, mich nicht sofort zu ihm umzudrehen und ihn zu küssen. Ich sehne mich danach, aber es ist noch aufregender, so lange als möglich zu widerstehen.
Wir laufen noch ein paar Meter weiter durch den knirschenden Kies. Eigentlich ist der Nationalpark nachts geschlossen, und außer uns ist weit und breit niemand zu sehen. Eine kühle Brise lässt mich erschauern. Die Felsblöcke zeichnen sich gestochen scharf im Mondlicht ab. Und nach ungefähr einer Minute höre ich es. Das Knacken eines Zweiges, gefolgt von einem Seufzer. Ich erstarre. »Was war das?«
Thayer bleibt stehen und starrt in die Dunkelheit. »Wahrscheinlich ein Tier.«
Ich gehe einen Schritt vorwärts und blicke noch einmal vorsichtig über meine Schulter nach hinten. Dort ist niemand. Niemand
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