LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
Seitenstraße ab. Zwei kleine Mädchen ritten auf Apaloosa-Pferden am Straßenrand entlang, die Westernsättel mit Reflektorstreifen beklebt. Ethan wich zur Seite aus, um ihnen Platz zu machen. »Spinnst du?«, fragte er. »Du willst dich Suttons Mörder auf dem Silbertablett servieren?«
Emma zuckte trotzig mit den Schultern. »Nur so kriege ich Antworten. Ich habe nicht vor, ihm zu sagen, dass ich ihm auf die Schliche gekommen bin. Ich tue einfach so, als wäre ich Sutton und hätte keine Ahnung, dass er hinter dem Ganzen steckt.«
»Hörst du dir eigentlich zu?« Ethan schlug frustriert mit der Handfläche aufs Lenkrad. »Das ergibt überhaupt keinen Sinn und ist viel zu gefährlich. Du weißt nicht, mit wem du es zu tun hast, Emma. Thayer ist gerissen – mindestens genauso gerissen wie Sutton. Er könnte dich leicht bei der Polizei verraten.« Seine Stimme klang drängend. »Du lebst Suttons Leben – und alle werden glauben, dass du sie umgebracht hast, um dir ihre Identität unter den Nagel zu reißen.«
»Thayer hätte das heute auch schon machen können, hat es aber nicht getan«, erinnerte Emma ihn.
»Na, er könnte auch noch was viel Übleres tun«, sagte Ethan und fuhr sich durch sein nachtschwarzes Haar. »Wenn er je wieder auf freiem Fuß ist, tut er dir vielleicht etwas an.«
Emma starrte aus dem Fenster auf die Straßenlaternen, die die verlassene Fahrbahn erhellten. An diese Möglichkeit wollte sie nicht denken. Sie hoffte, dass Thayer für alle Zeiten hinter Schloss und Riegel bleiben würde. Und Ethans Ton gefiel ihr nicht. Gut möglich, dass er sie nur beschützen wollte, aber nach dreizehn Jahren, in denen sie ganz auf sich allein gestellt gewesen war, fand sie es irgendwie unangebracht, dass jemand ihr vorschrieb, was sie zu tun und zu lassen hatte – vor allem, da es sich um ihren Freund handelte, der eigentlich auf ihrer Seite hätte stehen müssen.
»Du kennst Thayer nicht«, beschwor Ethan sie. »Er ist genauso jähzornig wie sein Vater.«
Emma warf ihm einen scharfen Blick zu. »Und du glaubst, ich komme mit Jähzorn nicht klar? Ich bin nicht Sutton, Ethan. Ich bin nicht in einer Seifenblase voller Glück aufgewachsen. Ich war ein Pflegekind. Man hat mich mein ganzes Leben lang angeschrien. Meine echte Mutter hat mich verlassen. Ich bin stärker, als du glaubst.«
»Nun werd doch nicht gleich sauer«, protestierte Ethan.
»Ich verstehe einfach nicht, warum du mir in den Rücken fällst. Ich dachte, du wolltest Suttons Mörder genauso sehr finden wie ich.«
»Ich will nicht, dass du verletzt wirst«, argumentierte Ethan mit entschlossener Miene.
»Okay, aber die Predigten kannst du dir sparen. Du bist nicht mein Vater«, sagte Emma düster.
Ethan schniefte fassungslos. Dann fuhren sie eine Zeit lang schweigend durch die dunklen Straßen, vorbei an Adobe-Häusern und gekiesten Einfahrten. Ein Junge fuhr wackelig auf seinem Fahrrad am Straßenrand vor ihnen her.
»Ich will nur, dass du dich nicht in Gefahr begibst«, sagte Ethan schließlich. »Warte noch ein bisschen, bis du ihn besuchst, okay? Tu’s für mich, bitte. Vielleicht gibt es noch einen anderen Weg, herauszufinden, was in jener Nacht passiert ist. Eine Möglichkeit, hieb- und stichfeste Beweise zu sammeln, die du dann der Polizei vorlegen kannst.«
Emma seufzte. Ethan hatte recht, ein Besuch im Gefängnis war wirklich viel zu riskant, und sie musste zugeben, dass der Gedanke, Thayer noch einmal gegenüberstehen zu müssen, ihr gehörige Angst einjagte. »Na gut. Ich warte noch ein paar Tage. Aber wenn wir bis dahin keine Fortschritte gemacht haben, bleibt mir keine andere Wahl, als mit Thayer zu reden.«
Schade. Emma fürchtete sich zwar davor, aber ich für meinen Teil konnte es kaum erwarten zu hören, was Thayer zu sagen hatte.
9
Sterngucker
»Sutton?«, rief Mrs. Mercer, als Emma ins Haus raste, nachdem Ethan sie abgesetzt hatte. »Du hast das Abendessen verpasst!«
»Äh, ja, ich hatte nach dem Turnier noch ein paar Sachen zu tun«, rief Emma, die schon auf dem Weg nach oben war. Sie hörte Mrs. Mercers Schritte im Flur. »Ich lass dir einen Teller in der Wärmeschublade, okay?«
»Danke!« Emma flüchtete sich in Suttons Zimmer. Sie hatte keine Ahnung, was eine Wärmeschublade war, und sie wollte auf keinen Fall jetzt ein Gespräch mit Mrs. Mercer riskieren. Ein Blick auf Emmas verängstigtes Gesicht hätte ausgereicht, um sie stutzig zu machen.
Emma schloss die Tür zu Suttons Zimmer und sah sich
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