LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
von mir und tritt nach einem abgebrochenen Ast. »Du bist diejenige, die mich immer wieder anbettelt, zurückzukommen.« Sein kühler, distanzierter Tonfall ist zurück.
»Thayer«, protestiere ich. »Du hast doch gesagt, du willst dich nicht mit mir streiten.«
Aber er schaut mich nicht an und murmelt halblaut etwas. Plötzlich schießt sein Fuß vor und trifft krachend auf einen der riesigen Felsblöcke auf dem Plateau.
»Willst du dir alle Knochen brechen?«, schreie ich. Thayer antwortet nicht. Ich gehe auf ihn zu und lege ihm eine hoffentlich beruhigende Hand auf die Schulter. »Hör zu, Thayer. Ich will, dass du zurückkommst, weil du mir wahnsinnig fehlst. Aber ich glaube nicht, dass der Zeitpunkt schon gekommen ist, der Welt unsere Gefühle zu offenbaren.«
Thayer wirbelt herum. »Ehrlich, Sutton?«, zischt er. »Es tut mir leid, dass unsere Beziehung dir weniger wichtig ist als dein Ruf.«
Ich greife nach seiner Hand. »Das habe ich nicht gemeint. Ich habe nur gesagt …«
»Genug.« Sein Mund wird schmal. »Vielleicht war es ein Fehler, herzukommen. Mir reicht’s.«
Seine Augen haben sich verdunkelt und er reißt seine Hand weg. Ich taumele zurück und habe plötzlich Angst. So habe ich Thayer noch nie gesehen und auf einmal erinnert er mich stark an seinen Vater. Jähzornig. Explosiv. Unberechenbar.
Grillen zirpen in der Ferne, ein paar Kiesel kullern in den Abgrund. Auf einmal wird mir bewusst, wie allein und verwundbar ich hier auf diesem Berg bin, mit einem Jungen, der an einen mysteriösen Ort abgehauen ist, von dem er mir nichts erzählen will. Wie viel weiß ich wirklich davon, was Thayer in letzter Zeit so getrieben hat? Ich habe gehört, was man sich über ihn erzählt, vor allem über den Ärger, den er angeblich hier hat, und über die gefährlichen Dinge, die er getan haben soll. Stimmen ein paar dieser Gerüchte vielleicht doch?
Aber dann merke ich, wie bescheuert meine Angst ist. Natürlich wird Thayer mir nicht wehtun. Uns verbindet etwas Kostbares – er würde mir niemals etwas zuleide tun. Ich schließe die Augen, breite die Arme aus und spüre die kühle Bergluft. Vielleicht schaffe ich es ja, meine Gedanken zu ordnen und ihm zu erklären, warum ich das Gefühl habe, dass dies der falsche Zeitpunkt für uns ist, unsere Beziehung öffentlich zu machen. Ich atme tief aus und mache die Augen auf, aber Thayer ist verschwunden.
Ich schaue mich um, sehe aber nur Dunkelheit. »Thayer?«, rufe ich.
Ein paar Meter neben mir höre ich ein Kratzen. »Thayer?«, rufe ich noch einmal. Keine Antwort. »Ha, ha, sehr witzig!«
Ein Schatten huscht über die Bäume und in der Ferne raschelt etwas. Ein Schauder läuft mir über den Rücken. »Thayer?«
Plötzlich möchte ich so viel Abstand als möglich zwischen mich und diesen Berg bringen. Ich wirbele noch einmal herum und will den Pfad hinunter zu meinem Auto rennen, da packt mich eine Hand grob am Arm. Entsetzen durchzuckt mich, als ich warmen Atem an meinem Hals spüre. Aber bevor ich aufschreien oder mich umdrehen und meinem Angreifer ins Gesicht sehen kann, bricht die Erinnerung in sich zusammen und löst sich in blendend weiße Leere auf.
8
Was nun?
Emma saß alleine im Verhörzimmer und wartete darauf, dass Quinlan zurückkam. Sie atmete tief ein und zwang sich, ruhig zu bleiben. Aber dann wurde ihr wieder bewusst, was sie da gerade erfahren hatte. Thayer war am Abend von Suttons Tod in ihrem Auto gewesen. Das Blut auf der Motorhaube musste ihrer Schwester gehören. Hatte sie etwa gerade erfahren, wie ihr Zwilling gestorben war?
Ich fragte mich dasselbe. Die Erinnerung, die ich gerade gesehen hatte, blinkte wie ein Neonschild in meinem Geist. Der wütende Ausdruck auf Thayers Gesicht. Die Angst, die ich gespürt hatte. Und die Cops hatten mein blutverschmiertes Auto im Sabino Canyon gefunden, genau dort, wo Thayer und ich nachts wandern gewesen waren. Ich dachte an unseren hitzigen Streit. Und an die Hand auf meinem Arm, bevor die Erinnerung sich aufgelöst hatte …
Emma konnte kaum Atem holen, da kam Quinlan schon wieder zurück. Er hatte die Stirn gerunzelt. Mit einer schnellen Handbewegung bedeutete er Emma, aufzustehen. »Ich gebe es auf. Wenn ihr zwei keine Lust habt, mir die Wahrheit zu erzählen, dann verschwendet ihr nur meine Zeit. Verschwinde.«
Er trat die Tür mit seinem Stiefel auf und zeigte auf den Flur. Emma folgte dem Detective wie betäubt zur Rezeption. Von dem grellen Licht im Eingangsbereich bekam sie
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