LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
nicht geglaubt hatte, als sie ihm an ihrem ersten Tag in Tucson gesagt hatte, wer sie wirklich war. Er hatte die Geschichte von der verschollenen Zwillingsschwester für eins von Suttons Märchen gehalten – die Polizei von Tucson besaß eine dicke Aktenmappe, die mit ihren Verfehlungen gefüllt war. Die meisten hatte Sutton als Mitglied des Lügenspiel-Clubs begangen, den sie und ihre Freundinnen vor mehr als fünf Jahren ins Leben gerufen hatten. Der Club hatte es sich zur Aufgabe gemacht, unschuldigen Opfern grausame Streiche zu spielen. Bei einem besonders schrecklichen Streich hatte Sutton so getan, als sei ihr Auto auf den Schienen liegen geblieben, während ein Pendlerzug auf sie zuraste. Dieser Abend hatte Gabby ins Krankenhaus gebracht, da sie vor Angst einen epileptischen Anfall erlitten hatte. Emma hatte erst vor einer Woche davon erfahren, als sie sich absichtlich beim Klauen erwischen ließ, um einen Blick in Suttons Akte werfen zu können. Sie hatte nachgeforscht und einiges erfahren, aber sie hatte nicht unbedingt Lust darauf, noch mehr Zeit mit den Ordnungshütern von Tucson zu verbringen.
Quinlan ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken. »Warum hat eigentlich jeder Notruf, der reinkommt, wenn ich auf Streife bin, etwas mit Ihnen zu tun, Miss Mercer?«, fragte er resigniert. »Haben Sie sich mit Mr. Vega verabredet? Wissen Sie, wo er die ganze Zeit war?«
Emma lehnte sich an den Tisch und starrte Quinlan wütend an. Er hatte es seit ihrer ersten Begegnung auf sie – äh, Sutton – abgesehen. »Ich habe nichts verbrochen«, sagte sie schnell und schob sich eine kastanienbraune Haarsträhne aus dem Gesicht.
Mr. Mercer hob die Hände. »Sutton, bitte«, sagte er. »Halte vor der Polizei nichts zurück. Ich will, dass dieser Junge ein für allemal aus unserem Leben verschwindet.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich nichts weiß«, beharrte Emma.
Quinlan wandte sich Suttons Dad zu. »Drei Streifenwagen suchen die Gegend nach Mr. Vega ab. Früher oder später finden wir ihn, da können Sie sicher sein.«
Die Drohung ließ Emma erzittern. Und ich zitterte mit ihr, denn wir beide stellten uns die gleiche Frage. Und was ist, wenn Thayer Emma zuerst findet?
2
Ärger ist sein zweiter Vorname
»Sutton?« Mrs. Mercers Stimme schwebte nach oben. »Frühstück!«
Emma öffnete mühsam die Augen. Es war Sonntagmorgen, und sie lag in Suttons Bett, das ungefähr eine Milliarde Mal komfortabler war als alle Betten, in denen sie bei ihren Pflegefamilien jemals geschlafen hatte. Eigentlich hätten ihr die weiche Matratze, die tausendfädige Bettwäsche, die Daunenkissen und die Satin-Überdecke acht Stunden erholsamen Schlaf garantieren müssen, aber seit ihrer Ankunft hier hatte sie noch keine ruhige Nacht erlebt. Gestern Nacht zum Beispiel war sie alle halbe Stunde aufgewacht und hatte überprüft, ob Suttons Fenster noch geschlossen war. Jedes Mal, wenn sie am Fensterbrett stand und auf den perfekt manikürten Rasen starrte, über den nur ein paar Stunden zuvor Thayer gesprintet war, rasten ihr wieder und wieder dieselben Gedanken durch den Kopf. Was wäre passiert, wenn sie nicht geschrien hätte? Wenn die Vase nicht zerbrochen wäre? Wenn Mr. und Mrs. Mercer nicht so prompt in Suttons Zimmer gestürzt wären? Hätte Thayer Emma dann sein wahres Gesicht gezeigt? Hätte er ihr befohlen, mit den Nachforschungen aufzuhören, falls ihr ihr Leben lieb war?
Verschollene Zwillingsschwester begegnet möglicherweise mörderischem Ausreißer , dachte sie bei sich. Während ihrer Zeit als Pflegekind hatte sie sich angewöhnt, ihre täglichen Aktivitäten mit griffigen Schlagzeilen zu betiteln, als Training für ihren Traumberuf als Investigativreporterin. Sie hatte die Schlagzeilen in einem Notizbuch aufgeschrieben und ihre Zeitung Daily Emma genannt. Seit sie nach Tucson gezogen war und Suttons Leben übernommen hatte, waren ihre Abenteuer tatsächlich Schlagzeilen wert – nur leider konnte sie niemandem davon erzählen.
Sie ging im Kopf noch einmal die Ereignisse der letzten Nacht durch. Konnte Thayer wirklich Suttons Mörder sein? Sein Verhalten war jedenfalls alles andere als unverdächtig gewesen.
»Sutton?«, rief Mrs. Mercer noch einmal.
Der süße Duft von Waffeln mit Ahornsirup drang in Suttons Zimmer und Emmas Magen knurrte hungrig. »Ich komme!«, rief sie.
Mit einem gewaltigen Gähnen kletterte Emma vom Bett und zog ein Sweatshirt aus der obersten Schublade von Suttons weißer Kommode. Sie riss
Weitere Kostenlose Bücher