LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
das Preisschild ab und zog es sich über den Kopf. Wahrscheinlich war der Pulli ein Geschenk von Garrett gewesen – er zeigte das Logo der Arizona Cardinals, und ihr Exfreund war ein Superfan. Zum Zeitpunkt ihres Todes war Sutton noch mit ihm zusammen gewesen, aber er hatte mit Emma Schluss gemacht, nachdem sie seinen nackten und willigen Körper an ihrer und Suttons achtzehnter Geburtstagsparty abgewiesen hatte. Es gab Dinge, die Schwestern nicht miteinander teilen sollten.
Zum Beispiel die Identität. Aber dafür war es inzwischen wohl zu spät.
Suttons iPhone summte und Emma schaute aufs Display.
Ein kleines Foto von Ethan Landry erschien in der rechten oberen Ecke und Emmas Herz machte einen Purzelbaum. Geht es dir gut? , fragte er. Habe gehört, gestern Nacht waren noch die Bullen bei euch. Was ist passiert?
Emma schloss die Augen und tippte: Lange Geschichte. Hatte Schiss. Thayer ist eingebrochen. Verdächtig? Später Treffen am üblichen Ort?
Du hast doch Hausarrest, oder? , schrieb Ethan zurück.
Emma fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. Sie hatte ganz vergessen, dass die Mercers ihr Hausarrest aufgebrummt hatten, weil sie letzte Woche eine Handtasche gestohlen hatte. Sie hatten sie nur zum Schulball gehen lassen, weil sie eine gute Note bekommen hatte – offenbar eine Premiere für Sutton. Ich komme schon weg , schrieb sie. Bis nach dem Abendessen.
Sie würde auf jeden Fall einen Weg finden. Ethan war außer meinem Mörder der Einzige hier, der wusste, wer Emma wirklich war, und die beiden hatten sich verbündet, um gemeinsam Suttons Mörder zu finden. Sie musste ihm auf jeden Fall von Thayer erzählen.
Aber das war nicht der einzige Grund, aus dem Emma sich mit Ethan treffen wollte. In dem ganzen Chaos gestern Nacht hatte sie beinahe vergessen, dass sie sich versöhnt … und geküsst hatten. Sie wollte ihn unbedingt wieder sehen und da weitermachen, wo sie aufgehört hatten. Ethan war der erste richtige Beinahe-Freund, den sie jemals gehabt hatte – Emma war immer zu schüchtern gewesen und zu häufig umgezogen, um bei Jungs einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen –, und sie wollte unbedingt, dass es mit ihm klappte. Ich hoffte das auch. So würde wenigstens eine von uns Liebe finden.
Emma ging zum Frühstücken nach unten, blieb einen Moment lang im Flur stehen und betrachtete die Familienfotos an der Wand. Schwarz gerahmte Bilder zeigten Sutton und Laurel Arm in Arm in Disneyland, mit identischen neopinken Skibrillen auf einem verschneiten Hang und auf einem wunderschönen weißen Strand beim Bau einer Sandburg. Ein neueres Foto zeigte Sutton und ihren Vater vor einem grünen Volvo. Sutton hielt stolz den Zündschlüssel hoch.
Sie wirkte so glücklich. Sorglos. Sie hatte genau das Leben, das Emma sich immer gewünscht hatte. Warum hatte Sutton so ein wundervolles Leben und Freunde bekommen, während Emma dreizehn Jahre lang durch Pflegefamilien gereicht worden war? Diese Frage quälte Emma immer wieder. Die Mercers hatten Sutton als Baby adoptiert, während Emma bis zu ihrem fünften Lebensjahr bei ihrer leiblichen Mutter Becky geblieben war. Wie wäre es gewesen, wenn Emma das große Los gezogen und bei den Mercers aufgewachsen wäre? Wäre sie jetzt auch tot? Oder hätte sie Suttons Leben anders gelebt und zu schätzen gewusst, wie privilegiert sie war?
Ich betrachtete die Fotos, insbesondere einen recht neuen Schnappschuss, der Mom, Dad, Laurel und mich auf der Veranda zeigte. Wir vier sahen aus wie die perfekte Bilderbuchfamilie, alle in Jeans und weißen T-Shirts, beschienen von der gleißenden Sonne Tucsons. Ich passte so gut hinein. Meine blauen Augen glichen sogar denen meiner Adoptivmutter. Ich fand es fürchterlich, dass Emma einfach davon ausging, ich wäre mein ganzes Leben lang nur eine verzogene, undankbare Göre gewesen. Okay, ich hatte meine Eltern vielleicht nicht so geschätzt, wie sie es verdient hatten. Und sicher hatte ich auch ein paar Leute mit meinen Lügenspiel-Streichen verletzt. Aber hatte ich dafür wirklich den Tod verdient?
In der Küche goss Mrs. Mercer goldenen Teig auf ein Waffeleisen. Drake saß geduldig neben ihr und hoffte darauf, dass der Teig überlief und ein paar Tropfen auf den Boden fielen. Als Emma im Türrahmen erschien, blickte Mrs. Mercer mit verkniffenem, sorgenvollem Gesicht auf. Die Fältchen um ihre Augen wirkten heute sehr tief und an ihren Schläfen schimmerte es grau. Die Mercer-Eltern waren ein bisschen älter als die meisten
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