LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
Schatten auf den trockenen Erdboden warfen, während schwülheiße Spätsommerluft meine nackten Beine umwehte. Ich sah Thayer neben mir herlaufen. Er hatte sich bei mir untergehakt und gemeinsam bahnten wir uns in der Dämmerung vorsichtig einen Weg über einen felsigen Trampelpfad. Ich sah, wie er den Mund öffnete, um zu sprechen, aber die Erinnerung zerstob, bevor ich seine Worte hören konnte.
Aber ich hatte die leise Ahnung, dass es etwas gewesen war, dass ich nicht hatte hören wollen.
3
Alle lieben Dichter
Am Sonntagabend ging Emma zu dem öffentlichen Park ganz in der Nähe des Hauses. Obwohl es schon dämmerte, joggten immer noch eine Menge Leute über die Spazierwege, die sich den Berg hinaufwanden, brieten Burger an den öffentlichen Grillstellen und tobten mit ihren Hunden übers Gras. Aus einem Radio dröhnte ein Song von Bruno Mars und ein paar Kids veranstalteten an einem Brunnen eine Wasserschlacht.
Es schmerzte mich, diesen Park zu sehen. Er war nicht weit von unserem Haus entfernt, und obwohl ich mich nicht an Einzelheiten erinnern konnte, wusste ich, dass ich eine Menge Zeit dort verbracht hatte. Ich hätte alles dafür gegeben, meine Finger in das kühle Wasser des Brunnens tauchen oder in einen saftigen, frisch gegrillten Burger beißen zu können – auch wenn er direkt auf meinen Hüften gelandet wäre.
Auf dem Basketballplatz war noch ein Spiel im Gange, aber die Tennisplätze waren dunkel. Emma ging zum hintersten und schob das quietschende Gatter auf. Sie erkannte eine Gestalt, die bei dem Netz auf dem Boden lag. Ihr Herz hüpfte. Es war Ethan.
»Hallo?«, flüsterte Emma.
Ethan sprang auf und ging mit sicheren, gleichmäßigen Schritten auf sie zu, die Hände tief in den Taschen seiner abgetragenen Levi’s-Jeans vergraben. Ein papierdünnes T-Shirt umschloss seine starken Arme. »Hallo zurück«, sagte er. Sogar im Dunkeln sah sie, dass er grinste. »Hast du dich rausgeschlichen?«
Emma schüttelte den Kopf. »Das musste ich gar nicht. Die Mercers haben meine Strafe aufgehoben – vermutlich hat es sie versöhnt, dass ich ständig Hausaufgaben mache. Aber Mr. Mercer hat mir eine Million Fragen darüber gestellt, wo ich hinwill.« Sie schaute zu den dunklen Bäumen hinter ihnen. »Es ist ein Wunder, dass er mir nicht gefolgt ist. Aber ich sollte wahrscheinlich dankbar sein. Ich hatte noch nie jemanden, dem es so wichtig war, zu wissen, wo ich bin.« Sie lachte gezwungen.
»Nicht einmal Becky?«, fragte Ethan erstaunt.
Emma betrachtete die knorrigen Zweige des Baums neben dem Tennisplatz. »Becky hat mich mal im Supermarkt vergessen, weißt du noch? Sie war nicht gerade eine Vorzeigemama.« Sofort fühlte sie sich schuldig, weil sie schlecht über ihre Mutter gesprochen hatte. Sie hatte auch gute Erinnerungen an Becky – zum Beispiel an den Nachmittag, an dem Becky Emma ein seidenes Negligé angezogen und mit ihr Schneewittchen gespielt hatte, und die vielen Schnitzeljagden, die ihre Mutter für sie veranstaltet hatte. Aber diese Erinnerungen konnten nicht aufwiegen, dass Becky Emma verlassen hatte, als diese ihre Mutter am nötigsten brauchte.
»Ich bin jedenfalls froh, dass du kommen konntest«, wechselte Ethan das Thema.
»Ich auch«, sagte Emma.
Sie sah ihm einen Moment lang in die Augen und nach einer gefühlten Ewigkeit blickten beide zu Boden. Emma trat nach einem vergessenen Tennisball neben dem Netz. Ethan spielte mit dem Kleingeld in seinen Hosentaschen.
Dann streckte er den Arm aus und ergriff ihre Hand. Er kam näher und sie roch den Duft seines würzigen Aftershaves. »Lichter an oder aus?«, fragte er. Die Flutlichtanlage des Tennisplatzes ließ sich per Münzeinwurf einschalten und kostete fünfundsiebzig Cent pro halbe Stunde.
»Aus«, erwiderte Emma und spürte, wie Aufregung in ihr hochstieg.
Ethan zog sie nach unten, bis sie beide auf dem Boden lagen. Die Fläche war noch warm von der Hitze des Tages und roch leicht nach Teer und Gummisohlen. Über ihnen leuchtete ein silbriger Mond. Eine Eule flog auf einen hohen Ast.
»Ich glaub’s nicht, dass Thayer bei euch eingebrochen ist«, sagte Ethan nach kurzer Zeit und legte den Arm um Emma. »Alles okay?«
Emma legte ihre Wange auf seine Brust und war plötzlich sehr erschöpft. »Jetzt geht es mir besser.«
»Er wollte also Sutton sehen?«
Emma hob den Kopf und seufzte. »Ich glaube schon. Es sei denn …«
»Es sei denn?«
»Es sei denn, Thayer weiß, wer ich wirklich bin, und wollte mich daran
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