Lykandras Krieger 3 - Wolfskriegerin (German Edition)
nicht, was mit mir los ist.“
„Das ist ganz normal“, versicherte er, aber sie wusste es besser.
Sie spürte, dass dieser Traum alles andere als normal war. Er hatte mehr auf sich, er kündigte etwas Schreckliches an. Nur was? Das wusste sie beim besten Willen nicht zu bestimmen. Vielleicht war es eine Botschaft von Lykandra, die sie bisher nicht als solche erkannt hatte, weil Lykandra normalerweise nur im wachen Zustand mit ihr Kontakt aufnahm. Bei Theresa war das anders. Die hätte gewusst, was der Traum bedeutete.
„Ich werde mit Theresa darüber sprechen“, entschied sie. Die Freundin teilte ihr Schicksal. Wahrscheinlich konnte nur eine Wolfsängerin verstehen, was in ihr vorging. Rem blieb von Visionen verschont. Seine Aufgabe war es, die Vampire zu jagen, doch mit den Zukunftsbildern mussten sich Joli und Theresa plagen. Theresa konnte damit viel besser umgehen. Sie beneidete ihre Freundin um ihre Gelassenheit. Aber wie hätte es in Theresas Fall auch anders sein sollen? Sie war mit diesen Bildern groß geworden. Seit sie denken konnte, hatte Theresa Dinge gesehen, die geschehen würden und Gefühle von fremden Menschen erspürt. Das Schicksal hatte sie auf ihre Aufgabe langsam vorbereitet, während Joli ins kalte Wasser gestoßen wurde. Bevor sie das Wolfsauge von ihrem inzwischen verstorbenen Vater angenommen hatte, um in dessen Fußstapfen zu treten, war sie nie von Visionen heimgesucht worden. Sie hatte bis dato ein normales Leben geführt.
„Versuch noch etwas zu schlafen“, sagte Rem fürsorglich und legte sich wieder hin.
Vorsichtig zog er sie zu sich hinunter. Joli ließ es zu, krallte sich jedoch in ihre Bettdecke. Sie hatte Angst, noch mal einzuschlafen, aus Furcht, sie könne den gleichen schrecklichen Traum noch einmal erleben.
Eine Stunde später war sie noch immer wach. Die ersten Strahlen der Herbstsonne drangen sanft durch das Fenster. Eine ihrer Katzen sprang auf das Bett und kuschelte sich an Jolis Beine. Jolis Augenlider wurden immer schwerer. Sie hatten Correys Geburtstag bis in den nächsten Tag hineingefeiert und die Müdigkeit ließ sich nicht länger verdrängen. Jolis Augen fielen zu. Rems leises, doch monotones Schnarchen verschwand im Hintergrund. Es wurde dunkel.
Er zog sich in die äußerste Ecke des Schlafzimmers zurück und beobachtete, wie er es zuvor getan hatte. Sie würden ihn nicht sehen. Und falls doch, würden sie ihn für das halten, was er war. Ein Schatten. Er hatte genug gesehen, um zu wissen, dass er hier richtig war. Ja, sie war es. Dies war die Frau, die sein Meister suchte. Und er hatte nicht untertrieben. Sie war zerbrechlich, schön, und menschlich, ja, sehr menschlich. Er war ihr nahe gekommen, aber sie hatte nichts gemerkt. Nicht gemerkt, wie er in ihren Kopf eingedrungen war, wie er ihren Traum gesehen, beobachtet und beeinflusst hatte. Er hatte die Fähigkeit, dies zutun. Ein Schatten konnte überall sein, wo auch ein wenig Licht war. Aber jetzt war es Zeit, zu gehen. Er musste seinem Meister Bericht erstatten, das weitere Vorgehen planen. Doch er konnte sich nicht vom Anblick dieser Frau losreißen. Sie war wirklich schön, auf ihre eigene Art. Und so stand er noch eine ganze Weile da und sah zu, wie der Werwolf seine starken Arme um sie legte, weil er sie schützen wollte. Hätte er einen Mund besessen, er hätte gelacht oder sich zumindest ein Grinsen verkniffen. In Sicherheit war Joli Balbuk schon lange nicht mehr.
Sie würde in London bleiben. Vorerst. Alles entwickelte sich völlig unerwartet. Sie hatte ihn endlich gefunden, den Werwolf, der stark genug war, sie zu verwandeln, zu unterweisen und anschließend das Tier in ihr zu bändigen, wenn es erst ausgebrochen war, denn auch das war die Aufgabe eines Mentors.
Außerdem war sie nun Teil eines Rudels. Eines zugegebenermaßen kleinen Rudels. Aber das störte sie nicht. Im Gegenteil. So war es besser, einfacher, als in ihrem alten Rudel, an das sie lieber nicht mehr denken wollte.
Keira stand auf dem Vorsprung eines Daches und beobachtete den Sonnenaufgang. Langsam breiteten sich die warmen Strahlen über die Dächer der Stadt aus, hüllten alles in einen goldenen Glanz. Es war ein schöner Anblick. Friedlich. Beruhigend. Die Nacht war vorüber und somit auch die Gefahr, von Vampiren aufgespürt zu werden. Keira war, nachdem sie Killian verlassen hatte, ziellos umhergestreift, um über alles nachzudenken. Kurz waren die üblichen Schmerzen und Wahngedanken aufgeflammt, aber
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