Lykos (German Edition)
sichtlich betroffen. Als die Bilderserie beendet war, bat der Oberkommissar die beiden an der Autopsie beteiligt gewesenen Mediziner um ihre Stellungnahme. Dr. Brecht, der Pathologe, erhob sich und gab einen Bericht über die Untersuchung, wobei er noch einmal die Art der Verletzungen und Zusammenhänge der drei Taten anhand gleicher Wundmuster darstellte. Die wirklich interessanten Neuigkeiten überließ er jedoch dem Tiermediziner Leuschenberger, der allerdings nur sehr zögerlich damit begann, seinen Teil des Berichtes abzuhalten. Die Polizisten blickten ihn gespannt an, während der Raubtierexperte fieberhaft überlegte, wie er anfangen sollte.
„Ich ... wurde zu diesem Fall hinzugezogen, da es bei allen drei Opfern vermutete Bissspuren gab. Nun, ich kann nach eingehender Untersuchung nur bestätigen, es in der Tat Bisse sind, die vor allem im Bereich der Kehle in allen drei Fällen zum Tod geführt haben. Die Maße und die Form der Wunden lassen nur den Schluss zu, dass es sich nicht um ein menschliches Gebiss, sondern um ein Tier handelt – ein ... sehr großes Tier allerdings!“
Leuschenberger zögerte damit seinen Bericht fortzusetzen, was Straub nach einiger Zeit mit einem aufmunternden Lächeln quittierte. „Bitte, Dr. Leuschenberger, fahren sie fort“, bat er.
„Das fällt mir leider nicht ganz so leicht, wie sonst, wenn ich eine Expertise abgebe“, erwiderte der Veterinär und atmete schnaufend ein und aus.
„Weshalb, wenn ich fragen darf?“ Straub bemerkte die große Unsicherheit des Tierexperten und wählte deshalb einen beruhigenden, einnehmenden Ton.
„Weil ich zugeben muss, dass ich selbst noch nicht ganz schlau aus dieser Sache werde“, gab der Tierarzt verlegen zu. „Wir haben bei dem zweiten Opfer, der Frau, einen abgebrochenen Zahn im Bereich der Halswunde gefunden. Ich habe ihn in der Pathologie mit der Unterstützung von Dr. Brecht genetisch analysieren und mit einem internationalen, wissenschaftlich anerkannten Gentestprogramm vergleichen lassen. Der Zahn stammt höchstwahrscheinlich von einem Wolf, es gibt da beinahe keine Zweifel. Ich muss hinzufügen, dass sich die genetischen Unterschiede zwischen Hunden und Wölfen im Bereich von etwa 0,2 Prozent bewegen. Dennoch gibt es diese eindeutigen Unterschiede. Ein endgültiges Ergebnis erhalte ich morgen von der Datenbank.“ Leuschenberger war froh, diese Bombe nun endlich herausgelassen zu haben.
„Sie meinen, der Täter hat ... diesen Zahn dort platziert?“ wollte Straub wissen.
„Nein, er hat ihn auf natürliche Weise verloren. Es ist kein Artefakt gewesen, wenn sie das meinen. Der Zahn war frisch und wurde ihm bei dem Biss in die Halswirbel der Frau ausgerissen.“
„Aber das bedeutet also nach ihren Worten, dass wahrscheinlich ein Wolf ...?“, stellte der Oberkommissar fassungslos und eher ungläubig fest.
„Ich weiß, wie unmöglich das klingt“, bestätigte der Veterinär, als müsste er sich dafür entschuldigen.
„Und ein Irrtum kommt überhaupt nicht in Frage? Ein Fehler in der Untersuchung, oder so? Bitte entschuldigen sie meine Vermutung, aber ein Wolf ..., das ist unglaublich.“
Auch die anderen Kriminalbeamten schüttelten ihre Köpfe und redeten leise miteinander, so sich für einige Zeit ein reges Gemurmel in dem Raum erhob.
„Das ist leider noch nicht alles“, fuhr der Tierarzt nach einer Weile fort und sofort wurde es wieder still, denn sein Ton ließ noch mehr seltsame Dinge erahnen. „Die Größe des Fundes ist ebenfalls ungewöhnlich!“
„Können sie das näher erläutern, Doktor.?“, bat Straub, der sehr gespannt war, was nun folgen würde.
„Kennen sie diese bekannten Bilder von den Vergleichen der Zähne eines heutigen weißen Hais mit denen des prähistorischen Megalodon?“, fragte Leuschenberger in die Runde. „So in etwa ist der Vergleich des gefundenen Stückes zu einem normalen Reißzahn des gemeinen Canis Lupus, des Grauwolfes zu bewerten. Es gab bis in die letzte Eiszeit eine weitaus größere Wolfsart, den sogenannten Direwolf, zu dem ein derartiger Zahn von den Proportionen her passen würde. Aber diese Gattung ist wie gesagt ausgestorben, wohingegen der Zahn frisch ist.“
Wieder erhob sich das Raunen und der Tierarzt spürte regelrecht, wie man ihn als Spinner oder totalen Fachidioten abstempelte.
Straub bat die Runde um Ruhe und versuchte, wieder Sachlichkeit hineinzubringen. „Also noch mal, Dr. Leuschenberger. Sie sind sich absolut sicher, was die Bestimmung
Weitere Kostenlose Bücher