Lynettes Erwachen
kennengelernt. Das ist achtzehn Jahre her. Schon damals wusste ich, dass ich einen solchen Club eröffnen möchte. Aber das ist nicht Ihre eigentliche Frage, habe ich recht?“
Lynette konnte die aufsteigende Röte in den Wangen fühlen. Verlegen spielte sie mit ihren Fingern. Eine Geste der Unsicherheit, die ihr zuwider war.
Elias winkte Tom zu sich, bestellte noch einen Scotch und sah sie fragend an. „Darf es noch ein Cocktail sein oder möchten Sie lieber Wasser?“
Dankbar, dass er ihr die Gelegenheit gab, sich zu beruhigen, lächelte sie. Oder war es ein Zufall, dass er in diesem Moment den Barkeeper zu sich gerufen hatte? Egal! Sie gab sich einen Ruck und sagte: „Ich nehme noch einen Bellini und würde mich gern an einen der Tische setzen.“
Elias nickte Tom zu und geleitete sie an einen abseits gelegenen Tisch. Tief sank Lynette in die weichen Ledersitze und verkniff sich das triumphierende Lächeln, als sie das erboste Aufblitzen in Drakes Augen sah. Dass sie jetzt mehr Distanz zwischen sich hatten, schien ihm nicht zu gefallen. Tja, leg dich nicht mit mir an, Drake. Manipulation beherrsche ich ebenso gut wie du. Ohne Umschweife kam sie zur Sache.
„Zugegebenermaßen haben Sie mich mit der kleinen Darbietung am Freitag aus der Bahn geworfen. Ich habe recherchiert und bin auf interessante Dinge gestoßen. Was ich nicht verstehen kann, ist, was bewegt die Menschen dazu? Warum wollen sie das?“
„Sie müssen mir schon genau sagen, was Sie meinen.“
„Das muss ich nicht. Sie wissen, worauf ich hinauswill. Es ist nur der Sadismus, der Sie so bösartig macht.“ Dieses Spiel gefiel ihr ausnehmend gut.
„Damit haben Sie sich die Frage selbst beantwortet. Wollen Sie wissen, warum ein Sadist dominiert ist oder warum eine devote Frau es erduldet?“
Ihr begannen die Ohren zu glühen. „Wieso eine devote Frau? Ich habe gelesen, es gibt auch unterwürfige Männer.“
„Oh, die gibt es sicher. Ich gehöre allerdings nicht dazu.“
Tom stellte die Getränke auf den Tisch und verschwand.
Um Zeit zu gewinnen, nippte Lynette an dem Cocktail und versuchte krampfhaft, das Herzflattern in den Griff zu bekommen. Dieses Gespräch verlangte ihr alles an Kontrolle und Selbstbeherrschung ab, was sie aufbringen konnte. Sie wusste, sie forderte Elias heraus, und war sich nicht einmal sicher, ob sie ihm gewachsen war.
„Und ich habe den Eindruck, dass Sie keine dominante Frau sind“, hörte sie ihn sagen.
Erbost fuhr sie ihn an, mühsam die Stimme leise klingen lassend: „Was glaubst du, wie es im Gerichtssaal ankommen würde, unterwürfig zu sein? Nicht einen Fall würde ich gewinnen. Tut mir leid, Elias, da irrst du dich gewaltig. Jetzt bin ich froh, dass ich hierhergekommen bin. Solltest du das gedacht haben, können wir dieses Missverständnis ein für alle Mal aus dem Weg räumen. Ich bin weder devot noch unterwürfig noch sonst irgendetwas.“
Er antwortete nicht, sah sie mit unbewegter Miene an. Lynettes Gefühle fuhren Achterbahn. Hatte sie ihn tatsächlich geduzt? Der Gefühlsausbruch war ihr unsagbar peinlich, trotzdem war der Unmut größer. Wie konnte er es wagen?
Als er nicht reagierte, öffnete sie den Mund, um eine bissige Antwort draufzulegen, schloss ihn wieder und sah verlegen zu Boden.
„Es ging nicht um deine Persönlichkeit, sondern um deine sexuelle Neigung.“
Jetzt war das Maß voll. Sie hatte gar keine sexuellen Neigungen. Was nahm sich dieser dreiste Kerl überhaupt raus?
Mehrfach setzte sie zum Sprechen an, brachte jedoch keinen Ton über die Lippen. Elias sah sie mit einer geradezu versteinerten Miene an. Und dieser Anblick ließ sie innerlich erbeben. Verzagter, als es ihr lieb war, sagte sie: „Wie kommst du darauf, so etwas zu behaupten? Du kennst mich nicht?“
„Ein guter Beobachter zu sein, ist in dieser Szene unerlässlich.“
„Hör mit diesem Quatsch auf. Was glaubst du zu sehen?“
„Versprich mir, nicht aufzuspringen und zu gehen.“
Lynette nickte. Sie fühlte sich wie das Kaninchen vor der Schlage, doch sie wollte wissen, was er über sie dachte.
„Du bist aus gutem Hause und sehr behütet aufgewachsen. Im Teenageralter hast du bemerkt, dass deine kleine, heile Welt nicht so perfekt ist, wie du glaubtest. Damals hast du begonnen, deine Gefühle zu verstecken. Das Jurastudium hast du gewählt, weil es dir Sicherheit gibt, und du hofftest, ein bisschen für Gerechtigkeit zu sorgen, für die Unterdrückten zu kämpfen. Du bist weit von deinem Ziel
Weitere Kostenlose Bücher