Lynettes Erwachen
hatte sogar das Gefühl, ihre Lippen würden röter und voller. Der üppige Busen wogte unter hektischen Atemzügen in den schwarz-roten Spitzenkörbchen der Korsage.
„Das ist, was ich sehe. Eine starke, selbstbewusste Frau mit Feuer, Leidenschaft, Verlangen und Hingabe. Nutze diese Stärken und du kannst alles im Leben erreichen.“
Was er getan hatte, war unglaublich. Diese Frau im Spiegel war ihr vollkommen fremd.
„Wer ist das?“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein Hauch.
„Das bist du, Lynette. Hab den Mut dazu.“
Lange sah Lynette die Gestalt schweigend an. Trotz der Tränen in den Augen war diese Fremde eine Kämpferin. Groß, schlank, aber nicht dürr, mit weiblichen Rundungen. Die Frau war schön und auf eine sinnliche Weise erhaben.
Unaufhörlich glitt Lynettes Blick zu Elias. Er schien ihr nicht helfen zu wollen. Dieses Spiegelbild gefiel ihr ausnehmend gut, doch es hatte etwas Verletzliches. Konnte Lynette dieses Risiko eingehen? Wollte sie diese Frau sein? Dufte sie einem Mann wie Elias Drake vertrauen?
„Darf ich jetzt gehen?“
Elias trat zur Seite und reichte ihr den Blazer.
„Ich will dich wiedersehen, Lynette.“
„Gib mir Zeit. Ich melde mich wegen des Hauses bei dir.“
„Ryan wird dich fahren.“
„Das muss er nicht. Ich kann ein Taxi nehmen.“ Mit einem schnippischen Lächeln sah sie ihn an. „Oder willst du unbedingt meine Adresse erfahren?“
„Parker Street 18, zehnter Stock.“
„Du hattest recht. Du machst mir Angst.“
Sanft nahm er ihre Hand und führte die Fingerspitzen an seine Lippen.
„Du kannst mir vertrauen, Lynette. Ich werde es dir beweisen, wenn du mir die Chance dazu gibst. Ich warte auf deinen Anruf.“
Kapitel 4
Ein Traum, alles war nur ein Traum. Reg dich nicht auf, Lynette. Du schlägst die Augen auf und bist wieder die Alte.
Das Spiegelbild im Bad sagte ihr deutlich, dass es kein Traum war. Rot geränderte Augen starrten sie an. Sie ging dicht an den Spiegel und versuchte, die Frau wiederzufinden, die gestern Nacht so sinnlich und stark ausgesehen hatte. Da war kein Funkeln in den Augen. Die Frau war nicht mehr da. War das gut oder schlecht?
Die Unsicherheit in ihrem Inneren machte sie jedenfalls verrückt, und sie gab Elias die Schuld. Sich an diesem Groll festzuhalten war leichter, als sich einzugestehen, dass sie ihn mochte. Wo sollte das alles hinführen?
Seufzend ging sie unter die Dusche. Als sie das Shampoo in die Kopfhaut einmassierte, fühlte sie seine Finger in ihrem Haar. Erst schnurrte sie leise vor sich hin. Doch plötzlich nahm eine unbändige Wut von ihr Besitz. Wie konnte es sein, dass er sie derartig manipulierte? Warum ließ sie das zu? Es war ihr gut gegangen.
All die Jahre war sie wunderbar mit sich klargekommen. Immer hatte sie gewusst, was sie wollte und vor allem, was sie nicht wollte – sie wollte keinen Mann in ihrem Leben. Niemanden, der sie verletzen und verlassen konnte.
Jetzt, nach einer Nacht, stellte sie ihr ganzes Leben infrage. Das war verrückt!
Lynette trat aus der Dusche, trocknete sich ab, putzte die Zähne, steckte ihr Haar auf. Bei all diesen Alltäglichkeiten dachte sie unentwegt an Elias Drake. Das brachte sie zunehmend auf hundertachtzig. Sie durfte nicht zulassen, dass er so viel Raum einnahm.
Eine halbe Stunde später fuhr sie schlecht gelaunt ins Büro.
Evelyn verkniff sich eine Frage, als sie Lynettes starren Blick sah. Andrew war weniger clever. Was hatte sie anderes erwartet? Sobald er die Kanzlei betreten hatte, stürmte er in ihr Büro.
„Sag mal, was denkst du dir eigentlich? Du kannst nicht mit Drake essen gehen. Er ist ein Klient!“
„Ich kenne meine Prinzipien. Es war ein Geschäftsessen.“
„Und warum wurde ich nicht informiert?“
„Soweit ich weiß, hat Evelyn dir Bescheid gesagt.“ Es machte Lynette unbändigen Spaß, ihn zu ärgern. Mit jeder sachlichen Antwort schäumte er mehr vor Wut.
„Ich bin immer noch dein Vorgesetzter, und Drake ist Klient der Kanzlei. Wie kommst du dazu, auf eigene Faust zu arbeiten? Du hättest mich persönlich informieren müssen. Um was geht es überhaupt? Die Kaufverträge für die Lagerhäuser sind erledigt.“
Lächelnd lehnte sie sich in den Sessel zurück. Aus irgendeinem Grund brachte sie nichts aus der Ruhe.
„Mein lieber Andrew, Mr. Drake hat sehr energisch um dieses Treffen gebeten, da er gedenkt, ein weiteres Gebäude in der Innenstadt zu erwerben. Wenn die Kanzlei ihn nicht verlieren will, sollten wir uns nach
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