Lynettes Erwachen
abgekommen, und das macht dich noch verschlossener. Du hast sehr wenige sexuelle Erfahrungen, Angst vor deinen Gefühlen und bist der Meinung, dass du sie besser gänzlich abschalten solltest. Dein Leben rinnt dir durch die Finger. Du bist unglücklich und einsam. Für dich gibt es nur Arbeit und Karriere, und jetzt sitzt dir Andrew vor der Nase und blockiert dich. Das macht dich wütend. Statt dich zu wehren oder Konsequenzen zu ziehen, trittst du auf der Stelle.
Du hast mir versprochen, nicht die Flucht zu ergreifen. Tief in deinem Inneren weißt du, dass ich die Wahrheit sage. Und in einem bin ich mir sicher: Du bist nicht feige.“
Wie versteinert saß Lynette in dem Ledersessel und konnte es nicht glauben. Das war unmöglich. Woher wusste er das alles?
Plötzlich spürte sie seine Hand. Elias war aufgestanden und kniete vor ihr. Er fing eine Träne auf, die ihr über die Wange lief. Wie durch einen Schleier sah sie ihn an.
„Ich möchte gehen“, flüsterte sie.
„Ich weiß, Lynette. Bist du es nicht leid, vor dir selbst davonzulaufen?“
Lynette schluckte krampfhaft und wusste nicht, was sie sagen sollte. In ihr wechselte sich Chaos mit gähnender Leere ab. Klar zu denken, war nicht mehr möglich, und Elias vor sich kniend zu sehen, tat irgendwie weh.
Dieser ergriff ihre Hand und zog sanft daran. „Komm!“
„Wo willst du mit mir hin?“
„Etwas Privatsphäre wäre nicht schlecht.“
„Nein.“ Kraftlos schüttelte sie den Kopf. „Ich will nicht mit dir allein sein.“
„Du befindest dich in einem SM-Club. Glaubst du, es würde irgendjemanden interessieren, sollte ich öffentlich über dich herfallen? Hätte ich das gewollt, würdest du dich längst in meinen Armen winden, und ich verspreche dir, du würdest dich nicht wehren.“
„Das wolltest du nicht?“
Galgenhumor war ihre letzte Barriere. Schutzlos und offen starrte sie ihn an. Elias Drake hatte die ganze schwer erarbeitete Fassade in weniger als zwei Minuten in Schutt und Asche gelegt. Lynette wusste, dass sie nie wieder in der Lage sein würde, diese vollständig zu reparieren.
Er zog sie mit sich, und diesmal nahmen sie den direkten Weg in das Büro. Erschöpft ließ sie sich in einen der Sessel plumpsen. Dankbar nahm sie das Glas Wasser entgegen, trank es zur Hälfte leer und seufzte resigniert. Er kniete vor ihr und sah sie eindringlich an.
„Woher weißt du das alles?“
„Es sind Kleinigkeiten, die dich verraten – eine Geste, ein Flackern in den Augen in einer bestimmten Situation. Die Art, wie du die Lippen zusammenpresst, wenn du eigentlich Gefühle zeigen solltest. Zu deiner Beruhigung, es ist sogar mir schwergefallen, hinter diese Fassade zu blicken.“
„Du bist verdammt arrogant.“
„Habe ich je was anderes behauptet?“
„Warum das alles? Was hast du davon, mir das anzutun?“
Erneut ergriff er ihre Hände und zog sie zu sich herauf.
„Komm mit, ich will dir was zeigen.“
Zögerlich folgte sie ihm, und auch nur, weil sie das Gefühl hatte, alle Kraft wäre aus ihr gewichen.
Hinter der dritten Tür des Büros befand sich ein Badezimmer, schwarzer Marmor, Dusche, Waschbecken, eine versteckte Toilette. Alles sah sehr edel und maskulin aus. Gegenüber der Dusche befand sich eine Spiegelwand. Elias stellte sich mit ihr davor, trat hinter sie und sah sie herausfordernd an.
„Was siehst du?“
„Ein Häufchen Elend“, versuchte sie zu scherzen, doch es gelang ihr nicht. Sie sah zu ihm. Das eigene Spiegelbild gefiel ihr nicht.
Elias ergriff ihr Haar, strich es glatt, zog es straff nach hinten und imitierte so ihre strenge Frisur.
„Welche Charaktereigenschaften fallen dir zu dieser Frau ein?“
„Sachlich, konsequent, kämpferisch, unerbittlich.“ Wieder traten ihr Tränen in die Augen, und sie wandte den Blick ab.
„Sag es!“
„Gefühlskalt, abweisend, frigide.“
Zu diesen Worten sagte Elias nichts, und an seiner Miene war nicht zu erkennen, was er dachte.
„Und jetzt sieh genau hin.“
Ihr Haar fiel herab. Er fuhr mit den Fingern hindurch, lockerte es auf, gab diesem mehr Fülle und drapierte es nach vorn. Dann glitten die Hände über ihre Schultern und strichen über das Revers des Blazers. Ihn böse anfunkelnd, holte sie hastig Luft.
„Vertrau mir! Ich werde dich nicht intim anfassen.“
Er öffnete den Blazer, ließ diesen zu Boden gleiten und hauchte ihr sachte in den Nacken. Gänsehaut überzog ihren Körper, die Wangen röteten sich, die Augen begannen zu funkeln. Lynette
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