Lynettes Erwachen
Leicht wie Elfenflügel hatte er sie berührt.
„Mach das noch mal.“
Ihr Lächeln gefror, als sie die Gier in den blauen Augen sah. Elias vergrub die Hände in ihrem Haar und nahm sie in Besitz. Die Zunge drang voller Verlangen in sie, umkreiste die ihre und forderte diese zum Tanz auf. Lynette verlor den Halt, klammerte sich an Elias’ Schultern fest und gab sich der sinnlichen Erfahrung vollkommen hin. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass ein einfacher Kuss einen solchen Hunger hervorbringen konnte. Als er von ihr abließ, fühlten sich ihre Beine wie Gummi an. Elias hielt sie und lächelte süffisant.
„Hat dir das gefallen, du kleines lüsternes Luder?“
Dieser Satz verwirrte sie und raubte ihr den letzten klaren Gedanken.
„Entschuldige! Ich habe mich hinreißen lassen. Es war nicht wörtlich gemeint.“
Lynette versuchte ein Lächeln und strich den Blazer glatt. „Redest du so mit den Frauen, die sich dir hingeben?“
„Ja, im Allgemeinen schon. Es war ein Fehler. Tut mir leid.“
Verstohlen sah sie zur Seite, griff nach den Unterlagen auf dem Schreibtisch und straffte die Schultern.
„Dann wollen wir mal, Mr. Drake. Kaufen wir Ihnen ein Haus.“
Lynette konnte seinen Blick nicht deuten. Er schien fasziniert und gleichzeitig verärgert zu sein. Was hatte er denn erwartet? Dass sie sich in ihrem Büro mitten in der Kanzlei in seinen Armen verlor? Den Kuss zuzulassen, war riskant genug gewesen. Sie abfällig als Luder zu bezeichnen, hatte sie in die Wirklichkeit zurückgeholt. Und doch kribbelte es noch immer in ihr. Dieser Wechsel zwischen Sanftheit und Taktlosigkeit hatte seinen Reiz.
An der Tür des Büros blieb Lynette stehen und sah ihn herausfordernd an.
„Ich bin mir übrigens nicht sicher, ob ich dein kleines lüsternes Luder sein möchte.“
Routiniert begrüßte sie die beiden Herren, stellte Elias vor und tauschte Geplänkel und Höflichkeiten aus. Emotionslos und beherrscht teilte sie durch ihr Verhalten die Rollen in diesem Spiel auf. Vom ersten Moment an übernahm sie die Führung. Nachdem sie Platz genommen hatten, kam sie ohne Umschweife zur Sache.
„Meine Herren, ich habe bei den beiden Gutachten Unstimmigkeiten gefunden, die mir zu denken geben. Daher würde ich vorschlagen, wir einigen uns auf die Gemeinsamkeiten der Expertisen zur Bestimmung des Kaufpreises. Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich auf die Diskrepanzen zurückkommen.“
Lynette las die Gutachten vor, legte dadurch den Wert des Hauses fest, der sich mit der geforderten Summe deckte. Es war recht langwierig, und Elias schweifte gedanklich ab.
Ihr langes, dunkelbraunes Haar schimmerte im Sonnenlicht rötlich. Seine Finger zuckten bei dem Wunsch, hindurchzufahren und ihr ein Schnurren zu entlocken.
Der Kuss, der kaum eine halbe Stunde her war, hatte ein unbändiges Verlangen in ihm entfacht. Die Anwältin und die Frau in ihr hätten gegensätzlicher nicht sein können. Sie hatte sich in seinen Armen verletzlich angefühlt. Für einen Augenblick dachte er sogar, sie wäre noch nie geküsst worden. In ihren Augen hatten Überraschung und Unglaube gestanden. Und ihre Lippen … oh Gott, diese Lippen. Fast wäre ihm ein Seufzen entglitten.
„Mr. Drake wäre bereit, die vorhandenen Mängel auf eigene Kosten zu beseitigen. Nehmen wir die Widersprüche in den Gutachten als Grundlage, belaufen sich die noch anfallenden Kosten auf rund dreihunderttausend Pfund. In Anbetracht der kritischen wirtschaftlichen Lage und der Tatsache, dass das betreffende Gebäude seit vier Jahren leer steht, schlage ich die Summe von einer Million Pfund vor.“
Mr. Harrington schnappte empört nach Luft. Mr. Bayle legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. „Das kann unmöglich Ihr Ernst sein, Ms. Harllow? Sie wissen selbst um den Wert des Hauses. Nein, das Angebot ist inakzeptabel.“
„Mr. Bayle, ich weiß nicht nur um den Wert des Hauses, ich kenne dessen Geschichte und den Grund, weshalb Sie es nicht verkaufen können.“
Elias zog skeptisch eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts. Der Blick hatte Bayle und Harrington erreicht und den gewünschten Effekt.
„Wir sind bereit, uns auf die Summe von einer Million vierhunderttausend zu einigen“, sagte Bayle und setzte ein Gesicht auf, das unbeugsam wirken sollte.
Lynette lächelte Harrington, nicht den Makler an – so intensiv, dass selbst Elias kaum mehr denken konnte. In Zeitlupentempo schüttelte sie den Kopf. Unglaublich, diese Frau!
Bayle und Harrington
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