Lynne Graham
sie und Aristandros sich trennten.
Für Aristandros war es scheinbar normal, seine jeweiligen Begleiterinnen mit kostbaren Juwelen zu überhäufen, doch Ella kam sich dabei nur noch mehr wie eine Trophäe vor. Es ließ sie sich fühlen, als hätte sie das verletzende Etikett, das ihre Mutter ihr aufgedrückt hatte, verdient. Dirne. Ob andere sie auch so sahen? Als eine Frau, die sich ihre Dienste für den griechischen Tycoon bezahlen ließ? Es war schon seltsam. Da war sie in Designerkleider gehüllt und trug kostbaren Schmuck, doch ihr einst so unerschütterliches Selbstbewusstsein sank auf den Tiefpunkt.
Eine Catering-Firma hatte das Buffet und die Drinks für den Empfang gestellt, das Haus selbst bot die perfekten Räumlichkeiten, um Gesellschaften zu geben. In pflaumenfarbener Seide gesellte Ella sich zu Aristandros auf die Terrasse, wo die Drinks für die ankommenden Gäste gereicht wurden. Schon jetzt sorgte Ella sich darüber, was wohl am nächsten Tag in der Lokalpresse über sie berichtet werden würde. Aber es war Aristandros’ Großvater, der sie in Verlegenheit brachte.
„Ella.“ Der distinguierte alte Mann begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange. „Es ist unhöflich, wenn ich es sage, aber sosehr ich mich auch freue, unsere Bekanntschaft aufzufrischen, hätte ich mir für ein Wiedersehen doch andere Umstände gewünscht.“
Mit düsterer Miene antwortete Aristandros für sie. „Richtig, es ist unhöflich und zudem unnötig, Drakon. Welche Umstände?“
Der alte Grieche bedachte den Enkel mit einem kühl abschätzenden Blick. „Stell dich nicht dumm, Ari.“
Ella wand sich vor Verlegenheit und war dankbar, als Callie auf sie zugetapst kam. Die Kleine sah herzallerliebst aus in ihrem blauen Kleidchen und war bereits viel offener und selbstsicherer geworden. Ella ging ihr entgegen, und als Callie sie schließlich nach ihrem Lieblingsstoffhasen fragte, nutzte Ella die Gelegenheit, die Kleine zu ihrem Kindermädchen zu bringen, damit sie den Hasen suchen konnten.
Als sie zu der Gesellschaft zurückging, hörte Ella auf dem geräumigen Korridor hinter einer Tür Stimmen.
„Wenn Callie wirklich Ellas Tochter ist, wie du behauptest“, donnerte Drakon Xenakis auf Griechisch, „dann gib ihr die Kleine und lass die beiden gehen.“
„Ich werde keine von beiden gehen lassen.“ Das war Aristandros’ Stimme, ruhig und flüsternd, als wäre er in der Kirche. „Ich habe einen Vertrag aufsetzen lassen, der sowohl Ella als auch mir bestens entspricht …“
„Einen Vertrag? Habe ich dich etwa dazu erzogen, eine junge Frau, die nichts anderes als Zugang zu ihrem Kind sucht, zu korrumpieren? Ver schafft dir das eine besondere Befriedigung? Wenn du auch nur noch einen Funken Anstand in dir hast, dann heiratest du sie. Du hast ihren Ruf ruiniert!“
„Die Zeiten, als Frauen unschuldiger als die Unschuld selbst sein mussten, sind glücklicherweise vorbei, Drakon. Inzwischen leben wir in einer Welt mit lockeren Moralvorstellungen“, konterte Aristandros schneidend. „Ob du es glaubst oder nicht, Ella ist glücklich bei mir.“
„Sie ist viel mehr wert als die geldgierigen Flittchen, mit denen du dich sonst abgibst, aber du behandelst sie schlimmer als jede von ihnen. Ich sehe in diesem Szenario nur deine Rachegelüste, Ari. Das ist niederträchtig und deiner unwürdig.“
Übelkeit stieg in Ella auf. Hastig stolperte sie an der Tür vorbei, bevor man sie beim Lauschen überraschen würde. Drakon kannte seinen Enkel viel besser als sie. Scheinbar hatte sie den Ver dacht, bei all dem hier könnte es sich nur um einen Racheakt handeln, zu schnell beiseite gewischt. Sie hatte sich auf die Hoffnung versteift, dass Aristandros sie nicht hatte vergessen können, doch wie wahrscheinlich war diese Annahme überhaupt? Warum sollte ein Mann, der überall auf der Welt die schönsten Frauen haben konnte, sich ausgerechnet für eine unerfahrene Ärztin interessieren, die sich auf dem gesellschaftlichen Parkett überhaupt nicht auskannte? Aristandros würde auch nie seine Vor lieben um Callies willen aufgeben, im Gegenteil. Er hatte das Mädchen benutzt, um Ella nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.
Es war der denkbar ungünstigste Zeitpunkt, um in diesem aufgewühlten Zustand ihre Familie zu entdecken, die sie seit sieben Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ellas Stiefvater, ein massiger großer Mann mit grauem Haar, stand auf der Terrasse, einen Drink in der Hand, ihre Mutter, grazil und hellblond, an seiner
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