Lynne Graham
nicht unnütz vergeuden.“
„Ja, mehr als ein Moment bleibt uns nicht“, bestätigte die Ältere. Sie richtete sich auf und umarmte ihre Tochter abrupt. „Ich vermisse dich sehr, vor allem, als Susie verunglückte. Aber Theo regt sich so über die momentane Situation auf. Er sagt, wegen deiner Affäre hat er das Gesicht verloren.“
Ella erwiderte die Umarmung innig. „Mum, er übertreibt, wie immer. Er ist nur mein Stiefvater.“
„Du hast die ganze Familie blamiert“, erklang eine Stimme von der Tür her.
Ella wandte den Kopf. Ihr Halbbruder Dmitri stand auf der Schwelle. „Hör auf, nach Entschuldigungen für deinen Vater zu suchen“, sagte sie zu ihm. „Ganz gleich, was ich auch tue, er wird sich darüber aufregen. Weil ich mich ihm nicht füge. Er mag mich nicht, und er wird mich nie mögen.“
„Mum“, Dmitri richtete den Blick auf seine Mutter, „Dad wird gleich nach dir suchen. Du musst wieder nach unten kommen.“ Mit dieser Warnung. wandte er sich zum Gehen.
In Ella brodelte die Wut über ihren überheblichen Halbbruder. „Wohnst du noch zu Hause?“ Sie hatte mitverfolgt, wie ihre Mutter bleich vor Angst wurde bei der Vorstellung, was sie erwartete, sollte ihr Mann herausfinden, wo sie gewesen war. Ella dachte an die Zeit zurück, die sie zu vergessen suchte, an die Jahre mit Streit, Geschrei und ehelicher Gewalt. Und an Janes immer verzweifelter anmutenden Versuche, dem siechen Familienleben einen normalen Anschein zu geben.
„Schon seit Jahren nicht mehr. Stavros und ich teilen uns ein Apartment.“
„Dann kann ich dich wohl nicht bitten, heute Abend auf Mum aufzupassen“, sagte Ella steif.
Dmitri begriff den tieferen Sinn ihrer Worte sofort. Mit hochrotem Kopf drängte er Jane, mit ihm nach unten zu kommen. Er war ebenso verzweifelt bemüht, jeden Konflikt mit seinem Vater zu vermeiden, wie Ella es einst gewesen war. Nie würde sie vergessen, wie das Leben im Sardelos-Haushalt abgelaufen war. Jeder war ständig darauf bedacht gewesen, alles zu vermeiden, was Theo Sardelos aufregen oder verärgern könnte. Auch wenn die grundlegende Problematik in der Ehe durch seine Untreue entstanden war, so hatte er doch ausreichend andere Anlässe gefunden, sein aufbrausendes Temperament abzureagieren.
„Ich werde versuchen, dich anzurufen.“ Jane warf Ella das Ver sprechen über die Schulter zurück zu.
„Jederzeit und aus welchem Grund auch immer. Ich werde für dich da sein, Mum.“ Ellas Stimme zitterte vor Emotionen. Erst als sie Jane nach so langer Zeit wiedergesehen hatte, war ihr klar geworden, wie sehr sie ihre Mutter all die Jahre vermisst hatte.
Ella brachte Callie zu Bett und verließ das Kinderzimmer dann, um sich wieder zu den weiblichen Gästen zu gesellen, die sich in dem großen Salon und auf der Terrasse aufhielten. Schon bald stellte sie fest, dass sie der Mittelpunkt des allgemeinen Interesses war. Die Leute waren eben neugierig auf alles, was Aristandros betraf – wie er lebte, was er besaß, mit welchen Frauen er ausging, auf seine Familie und wie er aufgewachsen war. Schließlich hatten diese Themen jahrelang Seite um Seite in Zeitungen und Gesellschaftsmagazinen gefüllt. Diplomatisch wich Ella den indiskreten Fragen aus und schlenderte von einem Grüppchen zum nächsten.
Die Männer kehrten jetzt zu ihren Begleiterinnen zurück, die ersten Gäste begannen sich zu verabschieden. Drakon Xenakis achtete besonders darauf, Ella auf Wiedersehen zu sagen, sodass es niemandem entgehen konnte. Jedoch musste sie mitverfolgen, wie ihr Stiefvater an der Schwelle zum Salon stehen blieb und ihrer Mutter lediglich mit einer herrischen Kopfbewegung zu verstehen gab, dass er gehen wolle. Ein Blick reichte, um Ella zu sagen, dass Theo vor Wut schäumte. Sein Gesicht war puterrot, die Lippen presste er so fest zusammen, dass nur noch eine weiße Linie zu sehen war. Prompt setzten sich ihre Mutter und ihre Halbbrüder in Richtung Ausgang in Bewegung, ohne noch ein Wort mit irgendjemandem zu wechseln.
Ella ging auf die Suche nach Aristandros und fand ihn noch im Konferenzraum. „Was, um alles in der Welt, hast du zu meinem Stiefvater gesagt?“, verlangte sie zu wissen.
Seine persönlichen Mitarbeiter erstarrten alle ungläubig, und Ella wurde rot. Sie wünschte, sie hätte die Fassung gewahrt und gewartet, bis sie allein mit Aristandros reden konnte.
Mit regloser Miene lehnte Aristandros sich mit der Hüfte an den Schreibtisch und schaute Ella mit undurchdringlichem Blick
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