Lynne Graham
befürchtete.
Die langen Wimpern hoben sich. Jäh war Aristandros hellwach, als hätte sie einen Eimer kalten Wassers über ihn gegossen. „Bist du sicher?“
„Hundertprozentig“, entgegnete sie.
Seine Züge wurden hart. „Ich hätte mich um dich gekümmert. In dieser Hinsicht hättest du dir keine Sorgen zu machen brauchen.“
„Wir haben auch so genügend Probleme, wir brauchen nicht noch ein weiteres.“
„Du willst noch immer keine Kinder haben?“
„Das habe ich nicht gesagt.“
„Du willst nur keine Kinder mit mir haben, richtig?“ Er ließ sie abrupt los und sprang aus dem Bett. „Ich brauche jetzt eine Dusche.“
Ella verstand sein seltsames Ver halten nicht. „Ich hatte angenommen, dass eine Schwangerschaft für dich eine Katastrophe wäre und du von mir einen Abbruch verlangen würdest. Du hast mir doch gesagt, dass du keine Kinder haben willst.“
Der Verkörperung eines heidnischen Gottes gleich stand er im Türrahmen zum Bad; das elektrische Licht aus dem Raum hinter ihm warf einen goldenen Schimmer auf seine gebräunte Haut. „Ich habe darüber nachgedacht. Ich könnte vermutlich damit leben. Außerdem hätte Callie dann einen Spielkameraden. Ich hätte dir nie einen Abbruch vorgeschlagen.“
Sie konnte nur stumm nicken. Jedes Mal, wenn sie meinte, Aristandros endlich einschätzen zu können, überraschte er sie und zerstörte all ihre vorgefassten Meinungen. Trotzdem war sie erleichtert, dass sie nicht schwanger war. Er könnte vermutlich damit leben! Schließlich hätte Callie dann jemanden zum Spielen! Nun, er würde schon sehr viel mehr Begeisterung an den Tag legen und hätte vor allem zuvor mit ihr darüber reden müssen, bevor sie den wehmütigen Gedanken, nicht schwanger zu sein, wirklich zuließ!
Sie schluckte hart und zog die Decke enger um sich. In der letzten Zeit hatte es sie immer öfter nachdenklich gestimmt, wenn sie Eltern mit ihren Babys beobachtet hatte. Auch hatte ihr oft ein Kloß im Hals gesessen, wenn sie zufällig an einer Babyboutique vorbeigekommen war und die winzigen Strampler und andere Sachen im Schaufenster gesehen hatte. Doch etwas derart Intimes würde sie vor Aristandros natürlich nie zugeben. Die Sehnsucht nach ihrer biologischen Tochter hatte ihr achtzehn Monate lang das Herz schwer gemacht, und jetzt, da sie mit Callie ein gesundes und wunderbares Kind in ihrem Leben hatte, stellte sie keine weiteren Ansprüche an Mutter Natur.
Ella wanderte durch die Gänge des modernen Gebäudes, in dem ein Operationssaal und mehrere ambulante Behandlungszimmer untergebracht waren. Aristandros hatte die Praxis am Rande der kleinen Stadt errichten lassen – der Traum eines jeden Landarztes. Aber scheinbar waren bereits zwei Ärzte gekommen und wieder gegangen, gelangweilt von dem ruhigen Inselleben und der Mühe, jedes Mal mit der Fähre übersetzen zu müssen, um Freunde und Ver wandte zu besuchen. Im Moment also war die Stelle frei. Ella hatte sich die Patientenliste zeigen lassen, im Grunde war nur eine Halbtagsstelle nötig, um die medizinische Versorgung der Inselbewohner zu garantieren. Liebend gern hätte sie sich um die Position beworben.
„Es wäre eine Ehre für uns, wenn Sie hier arbeiten würden“, versicherte der Bürgermeister ihr. Yannis Mitropoulos hatte sich erboten, ihr die Räumlichkeiten zu zeigen, nachdem beobachtet worden war, wie sie sehnsüchtig durch die Fenster ins Haus geschaut hatte.
„Leider suche ich im Moment keine Anstellung“, behauptete sie verlegen.
Denn würde sie die Stelle annehmen, hätte sie innerhalb von Sekunden den größten Streit ausgelöst. Aristandros hatte sich zwei Tage freigenommen, hatte sie über die Insel geführt und sie mit den Bewohnern bekannt gemacht. Nur das hypermoderne Gebäude mit jedem erdenklichen medizinischen Gerät, das man sich als Arzt nur wünschen konnte … das hatte er ihr nicht gezeigt, obwohl er es finanziert hatte. Er hatte auch nichts davon erwähnt, dass es auf Lykos keinen Arzt gab. Ella hatte es zufällig herausgefunden, als sie mit Callie in die Stadt gefahren war. Bei einem kühlen Getränk in der Taverne hatte sie sich plötzlich von Leuten umringt gesehen, die alle um ärztlichen Rat für diese oder jene Beschwerden baten. Aristandros schien dennoch ruhig schlafen zu können, auch wenn er die einzige medizinische Fachkraft auf der Insel an Haus, Herd und Schlafzimmer gefesselt hielt!
Davon abgesehen hatte Ella sich in den letzten drei Wochen bestens auf Lykos
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