Lynne Graham
wie er sich immer verhalten hatte. Und das Mädchen war nachweislich sehr hübsch. Wenn Ella ihn darauf ansprach, würde er ihr sicher offen und ehrlich die Wahrheit sagen. Schließlich hatte er noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die Aufregung ständig wechselnder Sexualpartner brauchte.
Die Vorstellung, wie offen und ehrlich er zu ihr sein würde, schnitt ihr wie ein Messerstich in die Brust. Das Bild von Aristandros in den Armen einer anderen war immer ihr schlimmster Albtraum gewesen. Jetzt, da sie die Rivalin mit eigenen Augen gesehen hatte, brachte der Schmerz Ella schier um.
Dabei war es ein Schmerz, für den sie selbst verantwortlich war. Welche Frau mit auch nur einem Funken Ver stand würde sich je in Aristandros Xenakis verlieben? Und dann auch noch so dumm sein, auf ein Happy End zu hoffen? Vor knapp einer Woche, da hatte sie sich tatsächlich gefragt, ob sie mit ihrer Entscheidung vor sieben Jahren, seinen Antrag abzulehnen, vielleicht einen Fehler gemacht hatte. Sie waren zusammen zum Strand gegangen, und Aristandros hatte eine riesige Sandburg mit Callie gebaut, während Ella lächelnd zugeschaut hatte. Das Gefühl, das sie dabei empfand, hatte sie sehr stark an Glück erinnert, und sie hatte zu hoffen begonnen, dass sie vielleicht tatsächlich zusammen glücklich werden konnten. Sicher, sie liebte ihren Beruf und hatte die Herausforderungen genossen, aber ihre Arbeit hatte ihr nie die ekstatische Euphorie beschert, in die Aristandros sie versetzen konnte.
Ihre Wangen waren tränenüberströmt, als sie an der Endstation aus dem Bus stieg. Was sollte sie jetzt tun? Davonlaufen und Callie zurücklassen? Nein, das stand außer Frage. Aristandros hatte ihr ja schon vorgeworfen, sie ergreife angeblich immer die Flucht, wenn ihr etwas nicht passte. Aber ganz egal, was auch geschehen war, ihr kleines Mädchen würde sie nicht aufgeben. Nur brauchte sie eine Wei le für sich, ein paar Stunden Abstand. Um sich wieder sammeln und die Fassung zurückgewinnen zu können, bevor sie Aristandros gegenübertrat. Es war wohl das Klügste, wenn sie sich für die Nacht ein Hotelzimmer nahm.
Ella schien es, als würde sie schon seit Ewigkeiten herumwandern, bevor sie eine kleine Pension in einer Seitenstraße fand. Die nur schlecht verhohlene Neugier der Frau, die ihr den Zimmerschlüssel reichte, entging ihr nicht, und als sie schließlich im Spiegel des winzigen Bads ihr Gesicht sah, wusste sie auch, warum die Frau sie so angestarrt hatte. Die Wimperntusche war verlaufen, der Lidschatten verschmiert und ihre einst so kunstvolle Frisur vollkommen aufgelöst. Sie wusch sich und machte sich ein wenig zurecht, dann schaltete sie ihr Handy wieder ein. Sie konnte schließlich nicht auf ewig unerreichbar sein, wenn sie Aristandros an der Oper hatte stehen lassen.
Nur Sekunden später klingelte es auch schon.
„Wo, zum Teufel, steckst du?“, knurrte Aristandros am anderen Ende.
„Entschuldige, dass ich es nicht mehr geschafft habe. Aber ich brauche heute Abend ein wenig Distanz.“
„Das ist indiskutabel! Wo bist du?“
„In einer kleinen Pension, nichts, was du kennen würdest.“ Wie sollte sie je wieder mit ihm leben können, wenn sie doch von seiner Untreue wusste? Sie spürte, wie die Tränen erneut kommen wollten. „Ich muss einfach eine Wei le allein sein“ schluchzte sie mit bebender Stimme.
„Ella …“
Sie unterbrach die Verbindung, bevor ihr Gefühlsausbruch ihm mehr verraten hätte, als sie ihn wissen lassen wollte. Er würde von seinen Hausangestellten so oder so erfahren, dass sie sein Flittchen getroffen hatte … Halt! Wie kam sie dazu, eine andere Frau als Flittchen zu bezeichnen, nur weil sie mit Ari geschlafen hatte? Sie war nicht mit ihm verheiratet, für den Rest der Welt war er noch immer frei und ungebunden.
Die Tränen wollten sie ersticken. Apathisch ließ sie sich auf die Bettkante sinken. Sie durfte jetzt nur an Callie denken, die friedlich in ihrem Bettchen schlief und noch nicht ahnte, welches Durcheinander Erwachsene mit ihren Beziehungen anstellten. Aber Ella war auch klar, dass sie einen Weg finden musste, um die Dinge wieder ins Lot zu rücken. Von Aristandros war ein solcher Ver such wohl nicht zu erwarten.
Erschreckt zuckte sie zusammen, als ein Klopfen an der Tür sie aus ihren Gedanken riss. Sie stand auf und öffnete.
10. KAPITEL
Wie hatte er sie so schnell gefunden?
Benommen starrte Ella auf Aristandros, der sie mit glühenden Augen von Kopf bis Fuß
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